Jim darf wieder Senf dazugeben

Wie sich die ehemaligen Tennisstars Jim Courier und Jennifer Capriati freuen, endlich mal wieder auf dem Center Court und im Mittelpunkt zu stehen   ■  Aus Wimbledon Matti Lieske

Kaum war er mal wieder in Erscheinung getreten, konnte es Jim Courier nicht lassen, in altbewährter Manier seinen Senf zu allen möglichen Dingen zu geben. „Frag mich mal bitte jemand zu gleichem Preisgeld für Frauen“, forderte er, um dann Tim Henman, der für seine Bemerkung, die Spielerinnen seien „gierig“, eine Menge Prügel hatte einstecken müssen, voll und ganz zu unterstützen. Der 28jährige genoß es sichtlich, nach seinem Fünfsatzsieg in einem spektakulären Zweitrundenmatch gegen den Spanier Carlos Moya mal wieder im Mittelpunkt zu stehen. 1992 war Courier die Nummer eins der Tenniswelt gewesen, ein Jahr später hatte er das Wimbledon-Finale gegen Pete Sampras verloren. Sein bis Mittwoch letzter Besuch in der Kathedrale des Rasentennis, denn danach ging es abwärts mit dem Mann aus Florida, der je zweimal die Australian Open und die French Open gewann. Die Entwicklung rauschte vorbei an seinem antiquierten Grundlinienspiel, inzwischen ist er 61. der Weltrangliste. Daß er auf den Center Court durfte, war vor allem seinem Gegner, dem Weltranglisten-Zehnten Carlos Moya, zuzuschreiben.

Courier ergriff die Gelegenheit jedoch ebenso beim Schopf wie es zuvor zwei andere Ehemalige getan hatten. „Wir haben den Augenblick genossen“, sagte Jennifer Capriati, stellvertretend auch für ihre Gegnerin Anke Huber. Früher Stammgäste auf den großen Plätzen, schaffen es beide nur noch selten auf die Center Courts und sie bedankten sich für die Beförderung mit einem packenden Match, bei dem sie sich zur Freude des Publikums mit ihren ungeschminkten, geraden Powerschlägern lange Ballwechsel von der Grundlinie aus lieferten. Capriati gewann und schied in der nächsten Runde prompt gegen eine Niederländerin namens Seda Noorlander aus, die in der Weltrangliste 80 Plätze hinter ihr auf Rang 126 liegt. Typisch für ihre derzeitige Verfassung, denn zwar kann sie in großen Momenten an frühere Leistungen anknüpfen, aber ihr fehlt das Feuer, ein Match, das schlecht läuft, umzudrehen, etwa so, wie es Steffi Graf am Mittwoch gegen die Südafrikanerin Mariaan de Swardt tat.

Capriati, nach wie vor die jüngste Spielerin, die je ein Match in Wimbledon gewann – damals war sie 14 – gilt als der Inbegriff des gescheiterten Wunderkindes. Nach ihrem Olympiasieg 1992 verlor die US-Amerikanerin jegliche Lust am Tennis, ohne zu wissen, was sie sonst tun sollte. Noch heute redet die 23jährige ausführlich über ihre „Prüfungen und Leiden“, auch wenn sie darauf beharrt, daß die wahren Probleme andere gewesen seien, als jene, die ihr in der Presse nachgesagt wurden. Wie tief der Stachel sitzt, zeigt sich, als sie auf Martina Hingis und deren Krise angesprochen wird. „Solange man oben ist, ist alles großartig,“ bricht sich der angestaute Zorn auf die Medien Bahn, „aber wenn es ein winziges Zeichen von Unvollkommenheit gibt, sind sie wie Geier, die gar nicht erwarten können, einen fertigzumachen.“ Nach einer längeren Pause sei es schwer, den „Groove“ wiederzufinden, sagt Jennifer Capriati, deren Comeback sehr schleppend und holprig verlief. Seit sie „eigentlich nur noch zum Spaß“ spiele, laufe es besser. In diesem Jahr gewann sie das Turnier in Straßburg und verlor bei den French Open erst im Achtelfinale gegen Lindsay Davenport. Diese ist ihre Nachfolgerin als Olympiasiegerin, eine Option, die auch Capriati weiter verfolgt. „Schließlich muß ich meine Goldmedaille verteidigen.“ Das wird, angesichts der Darbietung gegen Noorlander, wohl ein Traum bleiben.