Oranier im Anmarsch

Seit gestern marschieren militante Protestanten nach Portadown. Auch die andere Seite macht mobil  ■   Aus Dublin Ralf Sotschek

Seit gestern laufen sie: 300 Mitglieder des protestantischen Oranier-Ordens haben sich in der zweitgrößten nordirischen Stadt Derry auf ihren „langen Marsch“ begeben, um für „protestantische Bürgerrechte und Religionsfreiheit“ zu demonstrieren. Am Vormittag gab es in der Innenstadt eine Gegendemonstration, zu Zusammenstößen kam es nicht. Zielpunkt des Protestanten-Marsches ist am übernächsten Sonntag Portadown. Dort soll an diesem Tag die umstrittene Oranier-Parade durch die katholische Garvaghy Road stattfinden.

Im vergangenen Jahr war sie verboten worden, die Straße wurde von Polizei und Armee blokkiert. Seitdem harren eine Handvoll Oranier an der Barrikade aus. Doch hinter den Kulissen brodelt es im Orden. Verschiedene hochrangige Mitglieder haben sich dafür ausgesprochen, eine erneute Konfrontation zu vermeiden. Der protestantische Erzbischof Robin Eames hat die Oranier dazu aufgerufen, die Gesetze zu beachten und die Kirche von Drumcree, wo der Marsch über die Garvaghy Road beginnen soll, nicht für Protestzwecke zu mißbrauchen.

Der Sprecher des Bürgerkomitees der Garvaghy Road, Breandan MacCionnaith, hat Nationalisten in beiden Teilen Irlands dazu aufgerufen, am 4. Juli zur Garvaghy Road zu kommen. Man werde gegen die Parade der Oranier „Millimeter für Millimeter“ Widerstand leisten, sagte er. Die britische Armee schickt nächste Woche 1.300 weitere Soldaten nach Portadown, insgesamt sind in Nordirland dann 17.000 Mann stationiert.

Ob es in neun Tagen in Portadown zur Konfrontation kommt, hängt auch von den Verhandlungen über die Umsetzung des Belfaster Abkommens vom Karfreitag 1998 ab. Der britische Premierminister Tony Blair und sein irischer Amtskollege Bertie Ahern treffen sich heute nach der Beerdigung von Kardinal Basil Hume in London, um ihre Taktik für die am Montag beginnende letzte Verhandlungsrunde abzustimmen. Blair hatte den nordirischen Parteien eine „endgültige Frist“ bis zum Monatsende gesetzt, um eine Allparteienregierung zu bilden, die bisher an der Forderung der Unionisten nach vorheriger Abrüstung der IRA gescheitert ist. Am 30. Juni nehmen auch die Regionalparlamente in Schottland und Wales ihre Arbeit auf.

Unionistenchef David Trimble hat den Hardliner Jeffrey Donaldson in sein Verhandlungsteam berufen, aus dem er kurz vor Abschluß des Belfaster Abkommens vom Karfreitag 1998 aus Protest ausgestiegen war. Sinn Fein bezeichnete Donaldsons Berufung als „besorgniserregende Entwicklung, die nur die Neinsager bei den Unionisten befrieden“ solle.

Donaldson sagte Anfang der Woche: „Das einzige, das die Situation ändern könnte, ist die Herausgabe der IRA- Waffen. Der Premierminister muß sagen, was passieren soll, wenn es bis zum 30. Juni keine Fortschritte gibt.“ Doch Blair hat bereits eingeräumt, daß er keinen Ersatzplan habe.

Die paramilitärischen Organisationen beider Seiten haben bis Montag mittag Zeit, auf einen Fragenkatalog des kanadischen Generals John de Chastelain in Bezug auf ihre Waffen zu antworten. Chastelain, der die internationale Entwaffnungskommission leitet, will den beiden Premierministern seinen Bericht am Dienstag vorlegen. Er versucht, von der IRA und den protestantischen Organisationen eine Zusage zu erhalten, daß sie ihre Waffen bis Mai 2000 abgeben werden, wie im Abkommen vorgesehen. Blair und Ahern haben signalisiert, daß sie eine solche Zusage als ausreichend erachten würden. Ob Trimble das auch tun wird, ist zweifelhaft. Außer Donaldson gibt es eine Reihe anderer Vorstandsmitglieder seiner Partei, die in diesem Falle seinen Kopf fordern würden. Zunächst haben sie erst mal den Rücktritt der britischen Nordirland-Ministerin Marjorie Mowlam verlangt, weil sie „zu nachgiebig gegenüber Sinn Fein“ sei und „das Vertrauen der Protestanten verspielt habe.

Martin McGuinness, Sinn-Fein-Kontaktperson für die Waffenkommission, sagte, es sei wichtiger, die Ursachen für den 30 Jahre währenden Konflikt zu beseitigen, als sich auf die Herausgabe der Waffen zu versteifen. Sinn Fein habe die IRA bisher nicht zur Ausmusterung ihrer Waffen aufgefordert, weil eine negative Antwort zu diesem Zeitpunkt dem Friedensprozeß schaden könnte.