Bischöfe ernten gnädige Kritik

■  Der Schein-Kompromiß der deutschen Oberhirten stößt allüberall auf Kritik: im Bundestag, bei den katholischen Laien. Doch von Konsequenzen ist nicht die Rede

Bonn/Berlin/Hamburg (epd/rtr/taz) – Die Entscheidung der katholischen Bischöfe zur Schwangerenberatung ist gestern im Bundestag auf breite Kritik gestoßen. Mit dem neuen Beratungsschein würden Frauen, Beraterinnen und Ärzte verunsichert, rügten Sprecherinnen aller Fraktionen, befürworteten aber dennoch den Verbleib der katholischen Kirche im staatlichen Beratungssystem.

Frauenministerin Bergmann (SPD) betonte, nun müsse rasch Rechtsklarheit geschaffen werden. Die gesetzlich verlangte ergebnisoffene Schwangerschaftskonfliktberatung müsse auch künftig gewahrt werden. Voraussichtlich nächste Woche will Bergmann mit den zuständigen Länderministerien die rechtlichen Folgen des einschränkenden Zusatzes erörtern, der eine Verwendung der Bescheinigung zur straffreien Abtreibung untersagt.

Die Parlamentarische Staatsekretärin Christa Nickels (Grüne) warnte, die Kirche mache sich als Vertragspartnerin bei der Übernahme staatlicher Aufgaben unglaubwürdig. Für die SPD-Fraktion warf Hanna Wolf den Bischöfen vor, der geplante Zusatz auf dem Beratungsnachweis habe das „Niveau des mittelalterlichen Ablaßhandels“. Damit werde die Tätigkeit katholischer Beratungsstellen zur Farce, die Bischöfe schafften die ergebnisoffene Beratung und den Beratungsnachweis „im Prinzip“ ab. Wolf befürwortete die Zulassung weiterer Beratungsstellen anderer Träger in einzelnen Bundesländern.

Kritik kam auch von der Laienorganisation „Kritische Katholiken“. Der Papst habe die deutschen Bischöfe entmündigt und sie zu „Marionetten“ gemacht, erklärte die Organisation gestern in Berlin. Zugleich forderte sie die Überführung der Beratungsstellen in eine „von mündigen katholischen Laien zu gründende Trägerschaft“, die unabhängig vom Vatikan und den Bischöfen arbeitet.

Die Bundesländer streben trotz unterschiedlicher Auffassung Einigkeit bei der weiteren Förderung der katholischen Beratungsstellen an. Niedersachsen will dazu eine Konferenz der Fachminister einberufen, so Frauenministerin Heidi Merk (SPD). Zwar werde der von den Bischöfen gefundene Kompromiß für die künftige Beratung noch überprüft. Niedersachsen habe gleichwohl Zweifel, ob die Beratung in katholischen Einrichtungen weiterhin den staatlichen Anforderungen genüge.

Demgegenüber wollen Bayern und Sachsen die Beratungsstellen auf jeden Fall weiter fördern. Die bayerische Sozialministerin Stamm (CSU) sagte, der von den Bischöfen geforderte Zusatz sei keine rechtliche Verpflichtung im staatlichen Sinne, sondern als ernsthafter sittlicher Appell zu verstehen, andere Auswege als die Abtreibung zu sehen.

Keine klare Stellung in der Frage bezog bislang das Bundesjustizministerium. Ministerin Däubler-Gmelin (SPD) sagte, es lasse sich derzeit nicht eindeutig sagen, ob auch der modifizierte Beratungsschein den juristischen Anforderungen entspreche. Der Zusatz auf dem Beratungsschein sei „nicht so bedeutsam“, sofern in den katholischen Einrichtungen weiterhin entsprechend dem Schwangerenkonfliktgesetz beraten werde. Der Staat werde daher künftig genau beobachten, wie in diesen Beratungsstellen gearbeitet werde. VK