Die SPD auf Atomkurs

Nach dem Krieg fördert die SPD die Atomindustrie. 1961 nimmt Kahl/Main als erstes deutsches AKW den Betrieb auf.

Bundeskanzler Helmut Schmidt wehrt nach der Ölkrise 1974 durch den Bau neuer Atomkraftwerke die „energiepolitische Erpreßbarkeit“ Deutschlands ab.

1979: Nach dem Störfall im AKW Harrisburg/USA verlangt der SPD-Vorstand – gegen den Willen von Schmidt und Wirtschaftsminister Otto Graf „Brokdorf“ – den Ausstieg aus der Kernenergie .Es kommt zur „Kernspaltung“ der SPD. Auf dem Berliner Parteitag zwingt Schmidt die SPD mit Rücktrittsdrohungen auf seine Linie.

Nach dem Mißtrauensvotum gegen Schmidt 1982 beschließt der SPD-Wahlparteitag in Dortmund 1983 den „langfristigen Verzicht auf Kernenergie“.

Wegen der Katastrophe von Tschernobyl erklärt 1986 der SPD-Parteitag in Nürnberg endgültig den „Ausstieg aus der Kernenergie binnen zehn Jahren“.

Der Parteitag in Dortmund 1990 verkündet feierlich: „Die Nutzung von Kernenergie ist auf Dauer nicht mehr zu verantworten.“ 1997 wächst der Widerstand gegen Atommüll- (Castor-)Transporte. Ministerpräsident GerhardSchröder befürchtet, Niedersachsen verkomme zum „Atomklo“.

1998 verspricht Kanzlerkandidat Schröder: „Die SPD wird sich von ihrem Ausstiegsbeschluß nicht verabschieden.“

Nach Regierungsübernahme 1998 regelt der Koalitionsvertrag von SPD und Grünen stichpunktartig – ohne konkreten Zeitplan – den Ausstieg aus der Kernenergie. Ziel ist die „Beschränkung der Entsorgung auf direkte Endlagerung“.

Umweltminister Trittin verlangt eine radikale Novelle des Atomrechts. Kanzler Schröder läßt sich bei Energiekonsensgesprächen auf die Forderungen der Unternehmen ein. Ein schneller Ausstieg wird immer unwahrscheinlicher. „Ich bin doch nicht verrückt“, versichert Schröder 1999auf die Frage nach Abschaltung von AKWs in dieser Legislaturperiode. Tanja Fischer-Jung

Literatur: Rüdiger Liedtke: Wem gehört die Republik? Die Konzerne und ihre Verflechtungen, Frankfurt 1998, Eichborn VerlagKurt Berlo und Hartmut Murschall: Kommunale Einflußmöglichkeiten auf die Gestaltung der Energieversorgung, Bremen 1994, Edition Temmen

Lutz Mez und Rainer Osnowski: RWE – Ein Riese mit Ausstrahlung, Köln 1996, Kiepenheuer & WitschAG Atomindustrie: Wer mit Wem in Atomstaat und Großindustrie, Frankfurt 1987, Zweitausendeins

Henrik Paulitz: Manager der Klimakatastrophe, Göttingen 1994, Verlag Die WerkstattCD-ROM Anti-Atom-Lexikon, Forschungsprojekt Energiepolitik, Göttingen 1999, Verlag Die Werkstatt