Friedensvertrag mit Lücken für den Kongo

Waffenstillstand in einer Woche, später Entsendung einer Friedenstruppe: Das sind die Kernpunkte des Friedensabkommens, das heute unterschrieben werden soll. Viele Details bleiben noch offen   ■  Von François Misser

Brüssel (taz) – Ab der Nacht vom 3. zum 4. Juli sollen in der Demokratischen Republik Kongo die Waffen schweigen. Dies sieht das Friedensabkommen vor, das die Staatschefs der am Kongo-Krieg beteiligten Länder heute in Sambias Hauptstadt Lusaka unterzeichnen sollen und dessen Entwurf der taz vorliegt.

Der Waffenstillstand beinhaltet nach dem Text „die effektive Einstellung der Feindseligkeiten, der militärischen Bewegungen und Verstärkungen sowie feindseliger Aktionen einschließlich feindseliger Propaganda“. Eingestellt werden sollen zugleich „alle Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung“ und „alle anderen Aktionen, die die normale Evolution des Waffenstillstandsprozesses behindern könnten“.

Dieser Prozeß soll eine Weile dauern. In einer Periode von ein bis maximal drei Monaten soll eine Friedenstruppe im Kongo einrücken, der Abzug der bislang präsenten ausländischen Truppen erfolgen und die staatliche Autorität im gesamten Staatsgebiet wiederhergestellt werden. In maximal einem Jahr müssen „Maßnahmen zur Normalisierung der Sicherheitslage an den Grenzen“ des Kongo sowie die Entwaffnung „unerlaubter Kräfte“ und „nichtmilitärischen Personals“ erfolgen. Damit sind ruandische Hutu-Milizen, burundische Hutu-Rebellen, kongolesische „Mai-Mai“-Stammesmilizen und ugandische Rebellen gemeint. Die Unterzeichner sind auch verpflichtet, „humanitäre Korridore“ für Nothilfe an die Bevölkerung zuzulassen.

Erstellt wurde der Entwurf von Sambias Regierung, die den Kongo-Friedensprozeß leitet, mit Hilfe aus Südafrika. Unterzeichnen sollen – wenn die laufenden Gespräche auf Ministerebene nicht noch in letzter Minute platzen – die Regierungen der Demokratischen Republik Kongo sowie von Angola, Namibia, Ruanda, Simbabwe, Tschad, und Uganda. Die derzeit gespaltenen Rebellen sollen gemeinsam als „United Front“ unterzeichnen. Sambia als Vermittler sowie die UNO, die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) und die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) unterschreiben als Beobachter.

Ein Annex der sambischen Verhandlungsführung weist darauf hin, daß die Implementierung des Abkommens sehr schwierig sein wird. Ein Streitpunkt ist die Wiederherstellung staatlicher Autorität im Kongo. „Die Position der Regierung ist, daß sie die Verwaltungsautorität im gesamten Staatsgebiet wiederherstellen sollte; die Position der 'United Front‘ ist, daß sie darüber direkt mit der Regierung verhandeln will“, heißt es. Ein weiterer Streitpunkt ist der Abzug fremder Truppen: Die Regierung wolle, anders als die Rebellen, „als erstes den Abzug der nicht eingeladenen ausländischen Truppen“, also der Soldaten aus Uganda und Ruanda, die die Rebellen unterstützen; die Unterstützer der Regierung Kabila aus Angola, Namibia und Simbabwe müßten erst später abziehen. Ein dritter Streitpunkt betrifft schließlich die Modalitäten der Klärung von Streitpunkten: Sollen die Kriegsparteien erst das Abkommen unterzeichnen und dann die Einzelheiten klären, wie die Rebellen es wünschen, oder umgekehrt, wie die Regierung es wünscht?

In einigen Punkten bleibt das Abkommen bewußt vage. Es wird nicht präzisiert, wo die ausländische Friedenstruppe stationiert werden soll, wie viele Soldaten es sein sollen und wer sie stellt. Kongos Regierung will die Truppe an den Grenzen zu Uganda, Ruanda und Burundi stationieren; die Rebellen sowie Ruanda und Uganda wollen sie an die derzeitige Frontlinie mitten im Kongo schicken. Die strittige Frage, ob der Abzug fremder Truppen vor oder nach Ankunft einer Friedenstruppe erfolgen soll, wird ausgeklammert. Nicht präzisiert werden außerdem Zeitpunkt, genaue Aufgabe und Zusammensetzung der „gemeinsamen Militärkommission“, außer daß Sambia sie mit der Entwaffnung nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen im Kriegsgebiet unter UN- und OAU-Aufsicht betrauen will. Doch, so der Annex: „Es gibt keine gemeinsame Position der Kriegsparteien darüber, wer die Entwaffnung bewaffneter Milizen vornehmen soll.“

Die Regierung Kabila will nicht einmal, daß Kongos Rebellen als ebenbürtiger Partner zusammen mit den anderen Kriegsparteien unterschreiben, wie im Entwurf vorgesehen. Sie sollen statt dessen einen gleichlautenden Text auf einem separaten Blatt Papier unterzeichnen. Dies ist ein Anzeichen dafür, daß die Regierung immer noch Probleme damit hat, mit ihren Gegnern auf Augenhöhe zu verhandeln.

Wenn der Frieden für den Kongo platzen sollte, wären also vor allem Kongolesen verantwortlich. Kongos Präsident Laurent Kabila sagte am Donnerstag, er zweifele daran, daß der Gipfel zur Unterzeichnung des Abkommens am Wochenende stattfinde. Emile Ilunga, neuer Präsident der Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), gibt sich ebenfalls hart: „Bevor wir einem Waffenstillstand zustimmen, muß Kabila aufhören, zivile Ziele zu bombardieren, politische Gefangene freilassen, den Völkermord an den Tutsi beenden und direkten Gesprächen mit uns zustimmen“.