„Wir brauchen Rechtssicherheit“

■ Bujar Bukoshi, kosovo-albanischer Premier im Exil, über die künftige Rolle seiner Regierung im Kosovo und die Perspektiven der Provinz

taz: S ie sind nach 8 Jahren Exil zum ersten Mal wieder im Kosovo. Was geht in Ihnen vor?

Bujar Bukoshi: Sie können sich vorstellen, wie erleichtert ich bin. Ich habe die Öffnung der Berliner Mauer erlebt. Die Freude, die hier anzutreffen ist, läßt sich vielleicht mit damals vergleichen. Die Menschen haben hier sehr viel durchmachen müssen.

Sie sind als Premierminister im Exil immer für den Aufbau demokratischer Strukturen eingetreten. Sie haben davor gewarnt, im Widerstand den demokratischen Aufbau zu vernachlässigen. Was werden Sie jetzt tun, um Ihre Ideen durchzusetzen?

Ich habe den Anspruch, mit meiner Regierung hier im Kosovo selbst aktiv zu werden. Wir wollen alle unsere Mittel, auch die finanziellen, für den Wiederaufbau zur Verfügung stellen. Wir bieten der internationalen Gemeinschaft Kooperation an. Unsere Leute haben während des letzten Jahrzehnts eine Parallelstruktur zum serbischen Staat aufgebaut, die jetzt für den Aufbau von Verwaltungen in den Gemeinden genutzt werden kann. Wir haben zweimal Wahlen gehabt, es gibt eine demokratisch legitimierte Struktur, die jetzt ihr Mandat ausüben kann.

Nun gibt es eine zweite Regierung, die der UÇK. Hashim Thaci formuliert ähnliche Ziele wie Sie. Kommt es zu einem Kompromiß?

Ich weiß, daß nach den Ereignissen dieses Jahres sich die politische Landschaft im Kosovo verändert hat. Wer Kosovo regieren soll, muß bei den kommenden Wahlen bestimmt werden. Bis dahin wollen wir keine Energie in fruchtlosen Grabenkämpfen verschwenden. Wir wollen in enger Kooperation mit der internationalen Gemeinschaft eine demokratische Struktur aufbauen, eine Verwaltung und eine Polizei, die den Menschen dienen. Alle, die dabei mithelfen wollen und dafür qualifiziert sind, sind willkommen.

Da es zwei Regierungen gibt, scheint eine konfuse Situation zu bestehen. Wie wollen Sie das der Bevölkerung erklären?

Wir müssen unser bestehendes Mandat ausführen, meine Regierung ist nicht abberufen worden. Unsere Institutionen sind nicht international anerkannt, wir sind aber bereit zu einer Kooperation mit der internationalen Gemeinschaft. Wir hoffen, daß wir Kosovo-Albaner eine gemeinsame politische Plattform schaffen können. Meine Regierung verfügt ebenso wie die Thaci-Regierung über militärische Formationen innerhalb der UÇK, unsere bewaffneten Kräfte wurden aus professionellen Militärs geformt, die politisch eine neutrale Position beziehen. Wir haben zudem schon Polizeikräfte ausgebildet. Wir haben der internationalen Gemeinschaft von vornherein eine Zusammenarbeit angeboten, um kein Vakuum entstehen zu lassen. Leider wurde unser Angebot nicht genutzt.

Sie wollten eine reguläre Kosovo-Armee aufbauen. Wie stehen Sie jetzt dazu?

Das Ziel, die Unabhängigkeit des Landes zu erreichen, bleibt bestehen. Es wird in Zukunft deshalb auch militärische Strukturen geben müssen.Wir werden aber in Kooperation mit der Staatengemeinschaft uns zunächst auf die nächsten Ziele konzentrieren, und die bestehen im Aufbau der Verwaltungen und einer funktionierenden Polizei. Wir unterstützen das Abkommen zur Demilitarisierung der UÇK, wollen aber unsere Sicherheit nicht gefährdet sehen.

Jetzt gerät die serbische Minderheit zunehmend unter Druck.

Nach allem, was geschehen ist, nach Vertreibung und Morden, ist der Zorn unseres Volkes verständlich. Wir müssen aber darauf achten, so schnell wie möglich Rechtssicherheit herzustellen. Der Aufbau einer funktionierenden Polizei dient allen, auch den Serben und anderen Minderheiten.

Wie stehen Sie zum Präsidenten Ibrahim Rugova?

Wir sind immer für legale Strukturen eingetreten. Rugova wurde erst im letzten Jahr als Präsident bestätigt. Wir wünschen uns aber eine größere Aktivität und Präsenz des Präsidenten. Dann können wir darangehen, eine gemeinsame Plattform aller politischen Kräfte zu schaffen. Die Mitglieder der Demokratischen Liga Kosovos werden sich weiter engagieren und bleiben eine politisch wichtige Kraft. Interview: Erich Rathfelder