Es geht um die Zukunft

■ 1.000 Kurze auf den Weser-Terrassen bei der zweiten „Hortinale“ / Aktionstag gegen Misere: 700 Hortplätze fehlen / Pläne der Koalition: Stellen werden gestrichen

Ein ganzer Schwarm Kinder stürzte die Weser-Terrassen hinunter: zum Spielen, Jonglieren, Basteln, zu Drahtseilakten und vielem mehr. Auf ging es zur zweiten Hortinale, an der am Freitag über 1.000 Kinder von 30 Hortgruppen in Bremen teilnahmen. Den Veranstaltern – Evangelische Kirche, AWO und Amt für Soziale Dienste – ging es dabei vor allem um eins: die Probleme der Hortgruppen deutlich zu machen. Stellenkürzungen stehen an. Und durch die Pläne der Koalition sehen sie sich in ihrer pädagogischen Arbeit bedroht.

Drei Planstellen sollen im Hortbereich des Amtes für Soziale Dienste zum nächsten Kindergartenjahr eingespart werden. Im Klartext heißt das: Die Betreuung von ca. 50 Kindern wird gestrichen. „Und das obwohl insgesamt 700 Hortplätze in der Stadt fehlen“, ärgert sich Wiltrud Sossna vom Amt für Soziale Dienste. Außerdem sollten weitere 2,4 Stellen aus der pädagogischen Arbeit abgezogen werden – für die Computer-Koordination der Einrichtungen in Gesamt-Bremen. „Hätten die nicht aus anderen Töpfen finanziert werden können“, fragt die ehemalige Hort-Erzieherin.

Dabei steht der ganze Hortbereich vor weitgehenden Umstrukturierungen. Wenn im Schuljahr 2001 die „verläßliche Grundschule“ mit einer Betreuungszeit von acht bis 13 Uhr eingeführt wird, dann sollen die Horte in die Betreuung einbezogen werden. Der Koalitionsvertrag sieht eine „enge Kooperation“ mit den Schulen vor. Toren Christians, stellvertretender Leiter eines Horthauses in Tenever, klingt das zwar sehr schön – „dahinter verbergen sich aber Sparmaßnahmen.“

In den Morgenstunden, die jetzt für Vorbereitung, Elternarbeit, Koordination und Schulkontakte zur Verfügung stehen, sollen die Erzieher in Zukunft in Schulen eingesetzt werden. Zum Beispiel im Krankheitsfall, zur Pausenaufsicht und zur Entlastung der LehrerInnen, fürchten die Hortler. „Laßt uns unseren Schwerpunkt: Sozialarbeit. Für Bildung sind wir einfach nicht zuständig“, fordert Christians. Auch Wiltrud Sossna sorgt sich, daß ihre Pädagogen in Zukunft den „Pausenclown“ spielen dürfen.

Durch die Arbeit in den Schulen am Vormittag werden Stunden am anderen Ende gekürzt. Um 16 Uhr sollen die Horte dann dicht machen. Damit würde ein zentrales Angebot der Kinderbetreuung wegfallen: kleine Gruppen, gezielte Förderungen, in die Stadtteile gehen, klagen die Erzieher. In Zukunft gebe es dann nach Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung nur noch ein paar Bastelangebote. Für präventive Arbeit für die Kinder aus sozialen Brennpunkten bliebe kaum Zeit, erzählt Christians.

Eingespart werden so auch Personalstunden. Statt einer vollen Woche sollen die Pädagogen nur noch 30 Stunden arbeiten. Vollzeitbeschäftigung in diesem Beruf „wäre nicht mehr drin“, klagt May Wellhausen, die Vertreterin der Evangelischen Kirche. Wenn die Erzieher in Zukunft Zweitjobs annehmen müßten, um sich zu finanzieren, „leidet vor allem eins: die Qualität unserer Arbeit“.

dok