Das verliebte Telefon  ■   Von Ralf Sotscheck

Können Telefone sich verlieben? Unseres scheint in die Alarmanlage verknallt zu sein. Wenn der eingebaute Anrufbeantworter sich einschaltet, fällt ihm die Alarmanlage beim ersten Satz ins Wort und ruft mit Roboterstimme: „Bitte, gib das Paßwort ein.“ Dann redet wieder der Anrufbeantworter. So unterhalten sie sich eine Weile und vernachlässigen dabei ihre eigentlichen Pflichten.

Vielleicht liegt es aber auch am Reparaturdienst der irischen Telecom, der die Drähte neu verzwirbelt hat, nachdem die Elektrizitätsgesellschaft vor ein paar Wochen versehentlich einen Starkstromstoß durch die Leitungen gejagt hatte und bei der Telecom die Sicherungen verschmurgelten. Und als meine tote Leitung wieder repariert war, hatte ich ein Meeresrauschen im Hörer, das die Kommunikation nicht gerade förderte.

Der kugelrunde Telecom-Mechaniker rückte zuversichtlich mit einer Art Schuhkarton an, den er über der Scheuerleiste an die Wand schraubte. „Israelische Ware“, meinte er, „was Besseres ist nicht auf dem Markt. Deine Gesprächspartner werden denken, sie sitzen bei dir auf dem Schoß.“ Dann sang er einen grauenhaften Schlager – jedenfalls bis er die Leitung testete. „Das ist vollkommen unmöglich“, stöhnte er. „Alle Testgeräte geben grünes Licht, die Leitung ist also theoretisch perfekt.“ Praktisch aber nicht. „Hat jemand das Haus mit einem Fluch belegt?“ fragte er argwöhnisch.

Dann montierte er den Schuhkarton wieder ab und erklärte, er werde nach der Mittagspause zurückkommen. Bis dahin sei die Leitung leider tot. Das war sie auch, aber das Telefon gab hin und wieder einen Piepser von sich. Plötzlich klingelte es ganz normal. Als ich mich meldete, fragte eine barsche Männerstimme: „Wer bist du?“ Ich verriet es ihm, und er herrschte mich an: „Was machst du in meinem Haus? Und wo ist meine Frau?“ Mein Einwand, daß er sich wohl verwählt habe, bügelte er ab: „Unsinn. Ich habe meine Nummer gewählt, sie steht ja hier auf meinem Telefonbildschirm.“

Ich legte entnervt auf, die Leitung war wieder tot, bis der Mensch erneut anrief. Diesmal war er richtig wütend: „Hole sofort meine Frau ans Telefon.“ Ich sagte, sie sei vorhin mit dem Milchmann durchgebrannt, und ich sei der Makler, der das Haus verkaufen soll. Wahrscheinlich ist an diesem Tag irgend jemand in Dublin fluchtartig und mit Affenzahn vom Büro nach Hause gerast.

Ich warnte derweil meine Mitbewohner, daß „die singende Telecom-Knalltüte mit der Kellertürstimme gleich wieder hier sein“ müsse. „Ich bin schon hier“, antwortete er, „und daß ich nicht singen kann, weiß ich selber.“ Ich hatte die Tür offen gelassen. Er hatte einen neuen israelischen Schuhkarton mitgebracht, schraubte ihn an die Wand – und rollte verzweifelt auf dem Fußboden herum. „Brummt wohl immer noch“, fragte ich mitfühlend. „Jetzt hört es sich an, als ob man in einen Haartrockner spricht“, kicherte er irre. „Dieses Telefon ist ein Fön.“

Nachdem sie ihn abgeholt hatten, gelang es seinem Kollegen, die Nebengeräusche zu beseitigen. Dafür kommuniziert das Telefon nun mit der Alarmanlage. Und seit ein paar Tagen wählt es eigenmächtig irgendeine Nummer, sobald man den Hörer abgehoben hat. Vielleicht will es bloß die Alarmanlage eifersüchtig machen.