Rot-grüne Reform benachteiligt Kleinaktionäre

■ Unternehmenssteuerkonzept hat noch Schwächen – etwa bei der Dividendenbesteuerung

Berlin (taz) – Im Bundesfinanzministerium sind derzeit Spieler gefragt. Keine Zocker, sondern Denksportler. Zumindest in der Arbeitsgruppe, die sich mit der Umsetzung der Unternehmenssteuerreform beschäftigen soll. Denn viel mehr als Eckpunkte gibt es bislang nicht. Und mit denen ist der Spielraum eng gesteckt: Eine Nettoentlastung von insgesamt acht Milliarden Mark hat Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) den Unternehmen versprochen. Und eine einheitliche Besteuerung von Kapitalgesellschaften (GmbH oder AG) und Personengesellschaften (etwa KG oder oHG) in Höhe von 25 Prozent – erheblich weniger als die derzeitigen Sätze von 30 bis 48 Prozent. Bis zum Herbst haben die Strategen nun Zeit, die diversen Konstellationen in Planspielen durchzuprobieren, dann muß der Gesetzentwurf stehen – auch wenn die erste Stufe der Reform erst zum 1. Januar 2001 greifen soll.

Neben der noch ungeklärten Gegenfinanzierung wird das Hauptproblem dabei das sein, was für Laien am einfachsten klingt: der 25-Prozent-Tarif für alle Unternehmen. Die ursprünglich geplante Betriebssteuer, die die Körperschafts-, betriebliche Einkommens- und am besten auch noch die Gewerbesteuer ersetzen sollte, war schon von der Kommission, die Eichel-Vorgänger Oskar Lafontaine eingesetzt hatte, als vorläufig zu kompliziert verworfen worden. Nun suchen die Experten nach einer Möglichkeit, wie Personengesellschaften – immerhin 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland – ebenfalls vom niedrigeren Körperschaftssteuertarif profitieren können. Denn die gewerbliche Einkommenssteuer, der diese Unternehmen bislang unterliegen, kann nicht parallel gesenkt werden, ohne daß auch die Versteuerung privater Einkommen neu überdacht werden müßte: Das Bundesverfassungsgericht hat erklärt, daß es keine Spreizung innerhalb der Einkommenssteuer hinnehmen wird. Und den eben erst auf 48 Prozent gesenkten Spitzensatz weiter zu drücken, kann für Eichel derzeit aus finanziellen wie politischen Gründen nicht zur Debatte stehen.

Durchgespielt werden deswegen verschiedene Modelle, von denen der Finanzminister das sogenannte Optionsmodell favorisiert: Personenunternehmen sollen sich aussuchen können, ob sie sich wie eine Kapitalgesellschaft besteuern lassen. Für viele kleine Unternehmen lohnt sich das nicht, weil sie jetzt schon unter einen niedrigeren Steuertarif fallen. Sie könnten zum Ausgleich einen höheren Freibetrag bei der Gewerbesteuer bekommen. Nach den Berechnungen der Kommission würde dieses Modell die Staatskasse 5,2 Milliarden Mark kosten. Andere denkbare Möglichkeiten, wie etwa die Berücksichtigung der Gewerbesteuerbelastung bei der Einkommenssteuer, wären bis zu zweieinhalbmal teurer.

Auch die Neuregelung der Besteuerung von Dividenden hat bislang noch Macken, die sich mit den Zielen einer rot-grünen Reform nicht zu vertragen scheinen. Bislang zahlten Kapitalgesellschaften 30 Prozent Körperschaftssteuer auf Gewinne, die sie ausschütteten. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, bekamen die Anteilseigner dann eine Gutschrift über den gezahlten Betrag, die sie auf ihre Einkommenssteuer anrechnen lassen konnten. Kleinaktionäre, deren Einkünfte aus Dividenden unter dem Sparerfreibetrag lagen, bekamen die Körperschaftssteuer erstattet.

Nach der neuen Regelung soll das Unternehmen nun nur „definitive 25 Prozent“ Steuern entrichten, der Aktionär muß aber dafür seinen Anteil zur Hälfte ebenfalls versteuern. Was das im Einzelfall bedeutet, hat das Deutsche Aktieninstitut (DAI) in Frankfurt/Main ausgerechnet. Das Ergebnis sollte den rot-grünen Steuerexperten in der Bundesregierung zu denken geben: 85 Prozent der Anteilseigner wären mit dem neuen System schlechter gestellt – und zwar die ärmeren 85 Prozent. Alleinstehende mit einem Jahresbruttoeinkommen unter 150.000 Mark und kinderlose Ehepaare mit bis zu 300.000 Mark zahlten drauf, erklärte DAI-Sprecherin Petra Kachel gegenüber der taz. „Und das um so mehr, je weniger sie verdienen.“ Auch Kinderreichtum wirke sich ungünstig aus.

Profitieren würden dagegen die 15 Prozent mit höherem Einkommen. Und das wäre nicht nur ein Verteilungsproblem, sondern auch ein finanzielles: Diese wenigen Anteilseigner kassieren 87,4 Prozent aller Dividenden – und wenn für die nun weniger Steuern anfallen, fehlt Eichel wieder Geld in der Kasse. Nach den Berechnungen des DAI mindestens eine Milliarde Mark. Beate Willms