Merseburg: 16 Verletzte durch Bombenanschlag

■ Die Polizei ist ratlos, schließt aber einen ausländerfeindlichen Tathintergrund aus

Merseburg (taz) – Demolierte Autos, ein Meer von Glasscherben, zertrümmerte Möbel, dunkle Lachen auf dem Gehweg. „So habe ich mir immer Belfast vorgestellt“, sagte gestern einer, der zum Gucken ins Gewerbegebiet gekommen war. Ist aber nicht Nordirland, sondern Merseburg, 40.000-Seelen-Stadt in Sachsen-Anhalt. Dort war Sonntag nacht um halb zwei eine Bombe explodiert. 16 Menschen wurden verletzt, zehn von ihnen schwer. Polizeisprecher Siegfried Koch: „Einigen sind die Gliedmaßen regelrecht abgefetzt worden.“

„Desperado“ heißt die Kneipe, vor deren Biergarten der Sprengstoff in einem Blumenkasten aus Beton deponiert war – „professioneller Sprengstoff“, wie Koch gestern betonte. Die Betonung ist verständlich: Die Polizei hatte gestern keine Spur zu „ihrem Desperado“. Lediglich daß sich der Anschlag gegen Ausländer richtete, will Koch – „weil das ja hier immer gleich zuerst gefragt wird“ – „nahezu ausschließen“. Während das „Desperado“ von Deutschen betrieben wird, blieb der benachbarte Grieche nahezu verschont.

Schon zum fünften Mal innerhalb eines Jahres wurde in Merseburg ein Anschlag auf eine „gastronomische Einrichtung“ verübt. Mal war eine Handgranate in ein Restaurant geflogen, mal eine Brandsatzflasche in ein Café. Die Polizei vermutet keinerlei Zusammenhang: „Die Handschriften sind immer verschieden“, so Koch, der auf eine Sonderkommission verweist.

Das reicht den Merseburgern aber längst nicht mehr aus. „Wie weit muß es denn noch kommen?“ fragt einer. Das Gewerbegebiet betrachtet, wäre Belfast durchaus im Bereich des Möglichen gewesen: „Wir haben 200.000 Liter Treibstoff im Lager“, sagt der Wart der nahen Tankstelle. Der Discobetreiber von gegenüber: „Wir hatten 500 Besucher.“ Teile des Betonkübels flogen 40 Meter weit. Nick Reimer