Bedrohen Frauen das militärische Klima?

■ Morgen verhandelt der Europäische Gerichtshof die Frage, ob auch Frauen in Deutschland Berufssoldatinnen werden dürfen

Tanja Kreil durfte nicht Berufssoldatin werden. Nun klagt sie sich durch die Instanzen. Morgen verhandelt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg über den Fall. Wenn Kreil gewinnt, wäre der freiwillige Dienst von Frauen in der Bundeswehr künftig möglich.

Tanja Kreil ist gelernte Anlagenelektronikerin und bewarb sich 1996 für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr. Ihr „Verwendungswunsch“: Instandsetzung (Elektronik).

Ihr Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, Frauen dürften nur im Sanitäts- und Militärmusikdienst als Berufssoldatin arbeiten. Daraufhin klagte Tanja Kreil beim Verwaltungsgericht Hannover, das den Fall jetzt dem Europäischen Gerichtshof vorlegte. Eine EU-Richtlinie von 1976 verlangt nämlich die Gleichbehandlung von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Diese EU-Vorschrift geht nationalem Recht vor.

Nach Ansicht der Bundesregierung ist die Richtlinie allerdings auf militärische Arbeitsplätze nicht anwendbar – und falls doch, dann gelte jedenfalls eine Ausnahmebestimmung. Danach ist Ungleichbehandlung möglich, wenn das Geschlecht eine „unabdingbare Voraussetzung“ für eine Tätigkeit darstellt. Dem Bund geht es dabei nicht um die geringere Muskelkraft von Frauen. Vielmehr fürchtet man um das militärische Klima in der Armee, wenn die Einheiten gemischtgeschlechtlich zusammengesetzt sind.

Schon vor einigen Monaten wurde am EuGH ein ähnlicher Fall aus England verhandelt. Eine Köchin bewarb sich bei der britischen Eliteeinheit „Royal Marines“. Aufgrund ihres Geschlechts wurde die Bewerbung abgelehnt, denn bei den Marines müsse jeder „allseitig verwendbar“ sein – auch für den Kampfeinsatz. Im Schlußantrag des Generalanwaltes heißt es, daß die EU-Richtlinie auch im Militär anwendbar sei. Nur „unter besonderen Bedingung“ könne es deshalb Ausnahmen von der Pflicht zur Gleichbehandlung geben. Ob aber die Kampfkraft der Marines unter einer Köchin wirklich leiden würde, müsse das britische Gericht entscheiden, so der Generalanwalt.

Ob der EuGH dieser Sichtweise folgt, ist offen. In Deutschland ist die juristische Diskussion festgefahren. 1996 entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), daß Frauen zu Recht nicht in den Truppendienst übernommen werden. Es berief sich dabei auf einen Satz in Artikel 12a des Grundgesetzes, der sich eigentlich nur auf Pflichtdienste bezieht. „Sie (die Frauen) dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten“, heißt es dort. Vor wenigen Wochen hat das BVerwG diese Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt.

Nach dem Urteil von 1996 unternahm die FDP einen politischen Vorstoß, die Bundeswehr für Frauen zu öffnen. Das „letzte geschlechtsspezifische Berufsverbot“ für Frauen solle endlich fallen, so FDP-Generalsekretär Westerwelle damals. Nur Kampfeinsätze mit Frauen sollten nach Ansicht des damaligen Verteidigungsministers Rühe tabu bleiben. Eine dafür notwendige Änderung des besagten Grundgesetzartikels 12a hätte damals ebensowenig die notwendige Zweidrittelmehrheit gefunden wie heute.

Mit dieser bequemen Erklärung drückt sich auch die jetzige Regierung um eine eindeutige Stellungnahme zu kämpfenden Frauen. Wo es nicht ums Schießen geht, ist aber auch die SPD nicht zimperlich. Fraktionsvizevorsitzende Ulla Schmidt betonte gegenüber der taz: „Der Bereich, in dem Frauen in der Bundeswehr arbeiten können, sollte vor allem in den Ausbildungsberufen ausgedehnt werden.“

Problematisch wäre dann aber, daß Männer zu diesen Diensten verpflichtet seien, Frauen dagegen frei entscheiden dürften. „Dann muß man auch wieder über die allgemeine Wehrpflicht nachdenken“, gibt Schmidt zu bedenken. Sie plädiert dafür, daß die Wehrstrukturkommission sich auch mit der Frage der Einbindung von Frauen in die Bundeswehr beschäftigen solle.

Die Grünen halten trotz leichter Schwankungen ihres Verständnisses von Pazifismus in den letzten Monaten nichts von Frauen in der Bundeswehr. „Es geht nicht um die formale Gleichstellung von Frauen in der Bundeswehr, sondern um die Frage, ob Wehrpflicht emanzipierend sein kann“, erklärt die frauenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Irmingard Schewe-Gerigk. Sollte die Bundesrepublik sich für eine Berufsarmee entscheiden, so sei die Debatte jedoch wieder offen.

Christian Rath, Freiburg Heide Oestreich, Berlin