■ Amselfeld – zehn Jahre danach

Es war der 600. Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld. Vor zehn Jahren, am 28. Juni 1989, dem Sankt Veits-Tag, machte Slobodan Miloševic den serbischen Mythos zur Wirklichkeit. Eine Million Serben folgten dem Aufruf des emphatischen Präsidenten, der ihnen den „unterdrückten“ nationalen Stolz zurückgeben wollte, und pilgerten nach Gazimestan in der Nähe von Priština. Es war das nationale Wiedererwachen der Serben. So wie sich der serbische Zar Lazar am 28. Juni 1389 am gleichen Ort den Ottomanen widersetzte, versprach Miloševic sein Volk von allen nicht-orthodoxen bösen Geistern zu befreien. Lazar überlebte die Schlacht nicht, und Serbien fiel für die nächsten fünf Jahrhunderte unter türkische Herrschaft.

Wie ein Halbgott landete Miloševic vor zehn Jahren in einem Hubschrauber inmitten frenetisch klatschender Menschen.„Nach sechs Jahrhunderten sind wir wieder im Kampf, und Kämpfe stehen uns bevor. Es sollen keine Waffengänge sein, doch auch solche sind nicht auszuschließen ...“, verkündete Miloševic, und minutenlang erdröhnte das Kosovo unter dem Aufschrei der Massen: „Slobo, Slobodo!“ (Slobo, Freiheit!).

Mit bebender Stimme gab Miloševic den Startschuß für die nationale Euphorie der Serben: „Manche behaupten, wir könnten nicht arbeiten, aber kämpfen können wir, und wie!“ Heute, zehn Jahre später, gibt es fast keine Serben mehr im Kosovo, der „Wiege des Serbentums“. Selbst wenn er es wollte, könnte Miloševic, der vom Den Haager Kriegsverbrechertribunal angeklagt ist, nicht in den Kosovo gehen, weil ihn wahrscheinlich KFOR-Soldaten verhaften würden. Genau wie Lazar, konnte auch Miloševic seine entscheidende Schlacht nicht gewinnen. Die serbische nationale Euphorie, Sprungbrett für Miloševic' Blitzaufstieg, ist verflogen. Nach blutigen Kriegen unter Miloševic' Herrschaft sind fast alle Serben aus Kroatien vertrieben, die Serben in Bosnien wurden gezwungen, ihr Unabhängigkeitsstreben aufzugeben, Montenegro will aus der Föderation mit Serbien austreten. Die Schlacht um das Amselfeld ist verloren, die territoriale Integrität Serbiens existiert nur auf dem Papier. In Belgrad findet man immer öfter Flugblätter mit Miloševic' Foto und einem Wort: „Rücktritt!“ Nach einem Jahrzehnt hat sich der Kreis geschlossen. Im Kosovo erlebte Miloševic den Höhepunkt seiner politischen Karriere. Er sollte alle Serben vereinigen und in eine glorreiche Zukunft führen. Im Kosovo durchlebt er nun den Tiefpunkt seiner politischen Laufbahn. Laut Legende mußte Lazar 1389 zwischen dem himmlischen und irdischen Reich wählen. Er entschied sich für das Reich Gottes und starb ruhmreich. Miloševic aber wollte beides haben und droht jetzt alles zu verlieren. Andrej Ivanji, Belgrad