„Ich glaube an das Gute im Menschen“

Seit Montag patrouillieren Umweltstreifen durch Neukölln. An den ersten Tagen werden sie ungläubig angeguckt. Doch die Beamten des öffentlichen Dienstes setzen auf Präsenz und Gespräche mit den Menschen    ■ Von Julia Weidenbach

Dreimal hat Christian Michel die Krawatte gebunden. Erst dann saß sie richtig. Auch die neue grüne Uniform ist noch gewöhnungsbedürftig. Die Taschen der Weste sind noch zugenäht. Doch Michel läßt sie, wie sie sind. Die Zeit drängt. Es ist sieben Uhr morgens, und er und seine Kollegen müssen zum Dienst.

Auch ihr Job ist neu. Gestern hatten die zwei Männer und zwei Frauen ihren zweiten Einsatztag als Umweltstreife in Neukölln: Zeitgleich mit ihnen haben Umweltstreifen in Hellersdorf und Köpenick ihren Dienst aufgenommen, Tiergarten soll demnächst folgen. Zwischen 7.00 und 15.00 Uhr patrouillieren sie durch die Straßen. Sie suchen das, was andere wegwerfen oder liegenlassen: Flaschen, Büchsen, Zigarettenschachteln, Hundekot. Behilflich ist ihnen dabei eine Karte in der gleichen Farbe wie ihre Uniform – Auszüge aus dem Bußgeldkatalog. Die Umweltstreifen sind Beamte des öffentlichen Dienstes und berechtigt, Verwarnungsgelder einzukassieren und Bußgeldverfahren einzuleiten: Eine weggeworfene Zigarettenschachtel „kostet“ 60 Mark, eine wild entsorgte Flasche 80 und Sperrmüll bis zu 400 Mark.

Um den „Umweltpolizisten“ mehr Autorität zu verleihen, werden sie im ersten Monat von richtigen Polizisten begleitet. Manch einer von ihnen hat jedoch Mühe, ihrem Tempo zu folgen. So hängt Gruppenleiter Georg Michaelis mit seinem energischen Schritt durch die Karl-Marx-Straße und Sonnenallee den Polizisten mehrmals ab. Dieser hat noch mit den Blasen an den Füßen vom Vortag zu kämpfen. Die Straßen, Parks und Kinderspielplätze, durch die die Umweltstreife an diesem morgen läuft, sind leer. Die wenigen Hunde, die unterwegs sind, sind ordnungsgemäß angeleint und auch sonst ganz korrekt. „Bis auf den Polizeihund mußte auch keiner nicht ein einziges Mal“, stellt Christian Michel beinahe enttäuscht fest. In einer Straße bemängelt Gruppenleiter Michaelis, daß nicht genug Mülleimer vorhanden sind. Schließlich könne man von den Hundebesitzern nicht verlangen, daß sie die gefüllten Tütchen kilometerweit tragen – sofern sie den Kot ihrer Lieblinge überhaupt entsorgen.

Die wenigen Leute, die den Beamten über den Weg laufen, schauen sie verwundert an. „Sind Sie eine Art Polizei?“ fragt einer. Ein anderer weiß offenbar Bescheid: „Ach so , ihr seid die Umweltstreife“, sagt er mit breitem Grinsen. Der Gruppenleiter läßt sich davon nicht beeindrucken. Schließlich gebe es auch positive Resonanz. Auch erste Erfolgserlebnisse glaubt er feststellen zu können. So sei der Weichselpark sauberer als am Vortag. Das führt er auf die Präsenz seiner Truppe und auf Gespräche mit Passanten zurück. Sein Kollege Michel stimmt ihm zu: „Ich glaube, daß Vorurteile verschwinden werden, wenn die Leute erst mal sehen, was wirklich unsere Aufgabe ist.“

Weniger Zustimmung findet die Absicht seines Chefs, die Beamten in Zukunft alleine auf Streife zu schicken. „Ich bin kein Polizist und dafür auch nicht ausgebildet“, sagt er. Der Mittzwanziger war zuvor im Verwaltungsdienst tätig und betont, daß der Jobwechsel freiwillig sei. Gruppenleiter Michaelis dagegen hat überhaupt keine Angst, vielleicht bald allein durch die Straßen zu ziehen. „Ich glaube nicht, mit dem Handy Verstärkung rufen zu müssen“, sagt er selbstbewußt. „Auch mit einer Gang von zehn Leuten kann man reden“, ist er überzeugt. Der Grund für seine Zuversicht: „Ich glaube an das Gute im Menschen.“ Michaelis bringt jedoch auch andere Voraussetzungen für den neuen Job mit als sein Kollege. Er hat viele Jahre in einem Obdachlosenwohnheim in Neukölln gearbeitet. Dort habe er gelernt, daß man an jeden Menschen herankommen könne. Statt sofort den Bußgeldblock zu zücken, will er versuchen, die Probleme „auf der sozialen Ebene“ zu lösen. „Man muß unterscheiden, ob jemand unbewußt etwas weggeworfen hat oder sehr wohl weiß, daß es verboten ist.“

Obwohl die Umweltstreife an diesem Morgen selbst auf dem belebten Markt auf dem Hermannplatz nicht tätig werden muß, ist der Gruppenleiter zufrieden. „Es geht ja hauptsächlich darum, präsent zu sein und den Leuten mehr Sicherheitsgefühl zu geben“, sagt Georg Michaelis.