Die „schweigende Mehrheit“ soll aktiv werden

■ Im Wrangelkiez wollen 80 interessierte BürgerInnen ihre Wohnumgebung beurteilen

Nicht die, die sich sowieso engagieren, sollen mitmachen, sondern die, die sonst nicht reden. Im Kreuzberger Wrangelkiez sollen jetzt erstmals in Berlin BürgerInnen ihr eigenes Quartier bewerten und Verbesserungsvorschläge machen. Die „schweigende Mehrheit“ soll aktiviert werden, hofft Hajo Bergandt von der Senatsumweltverwaltung, die das Projekt zusammen mit dem Bezirk initiiert hat. In sogenannten „Planungszellen“ treffen sich in dieser und in der nächsten Woche rund 80 BewohnerInnen des Wrangelkiezes, um über Themen wie Mieten, Schule und Kriminalität zu diskutieren. In vier Gruppen sprechen ReferentInnen jeweils pro und contra zu einem der Bereiche. Auch Politiker sind eingeladen, und bestimmte Orte im Kiez, wie die großen Durchgangstraßen, sind Untersuchungsobjekt. „Das ist das Gegenteil einer Bürgerinitiative“, sagt Initiator Peter Dienel, nach dessen Konzept schon hunderte Bürgerbeteiligungsverfahren, zuletzt in Frankfurt/Oder, durchgeführt wurden.

In Kreuzberg wurden ingesamt 400 KiezbewohnerInnen per Zufallsprinzip angeschrieben, 180 wurden persönlich besucht und 80 nahmen dann letztendlich teil. Die Gruppen sollen jeweils ein Konzept ausarbeiten, das das Privatinstitut „Infrastruktur Akademie“ als Leitlinien für eine Verbesserung der Lebensituation zusammenfaßt und an das Bezirksamt und den Senat übergibt.

Eine der Freiwilligen – die Politologin Valeria Borbonus, die seit knapp fünf Jahren in der Wrangelstraße lebt – erhofft sich von dem Seminar vor allem eine bessere Kommunikation. „Hier leben so viele unterschiedliche Menschen, aber die Welten sind doch sehr getrennt.“ Auch die Quartiersmanager, die bereits im März ihre Arbeit aufgenommen haben, erhoffen sich von den „Planungszellen“ einen wichtigen Diskussionsbeitrag.

Im Wrangelkiez, in dem 30 Prozent der Menschen arbeitslos sind, und aus dem immer mehr mittelständische Familien wegziehen, leben momentan knapp 13.000 Menschen. 45 Prozent von ihnen haben keinen deutschen Paß. Doch in den Planungsgruppen sind nur ein Viertel der Beteiligten nichtdeutscher Herkunft. „Das liegt daran, daß bei den Ausländern die Hemmungen größer waren, mitzumachen“, begründet Dienel die niedrige Quote. Ein weiterer Grund seien ungenügende Deutschkenntnisse – Barrieren, die jedoch problemlos zu meistern wären, denn sowohl bei den Hausbesuchen als auch bei den Treffen war beziehungsweise ist ein Dolmetscher dabei. Julia Naumann

Die Quartiersmanager stellen heute um 19 Uhr in der Skalitzer Straße 57 ihr Konzept vor.