■ Cash & Crash
: Keine Chance gegen Affen

Nürnberg (taz) – Für die Aktien der SHS Informationssysteme war der vergangene Dienstag eigentlich ein Tag wie jeder andere. Bei geringen Umsätzen dümpelte der Kurs bei rund 19 Euro vor sich hin. Doch kurz vor 16.30 Uhr schnellten die Umsätze nach oben, der Kurs sprang um fast 50 Prozent auf zuletzt 28 Euro. Einziger Grund: im Fernsehsender ntv hatte Frank Wellendorf, Analyst der Westdeutschen Landesbank, die SHS-Aktie als „unerkanntes Juwel“ bezeichnet.

Ende der letzten Woche standen Medienwerte im Mittelpunkt des Interesses. Als das Gerücht einer bevorstehenden Übernahme von RTV Familiy Entertainment durch EM.TV die Runde machte, kletterten die Kurse von Medienaktien in Minutenschnelle teilweise um mehr als 50 Prozent. Selbst Aktien von Firmen, die nicht direkt der Medienbranche zuzuordnen sind, profitierten – nur weil sie, wie der Börsenneuling I-D Media, das Wort Media im Namen führen.

Die Börsenhändler zuckten nur mit den Schultern – häufigster Kommentar: „Jetzt drehen die Leute durch.“ Da nachprüfbare Daten über die Entwicklung von Unternehmen längst nicht mehr ausreichen, um die Phantasie der Anleger und Zokker Tag für Tag neu zu beflügeln, wird auf Gerüchte und Aussagen von Experten zurückgegriffen.

Wolfgang Gercke von der Uni Erlangen-Nürnberg hat als Ergebnis seiner Studien festgehalten: „Die Trefferquote der Wetterprognosen ist besser.“ Beliebt sind seit Jahren auch die Wettkämpfe zwischen Analysten-Teams und Affen, Astrologen oder Würfeln, bei denen regelmäßig die Experten nicht besser abschneiden als ihre Gegner.

Die Vielzahl der unterschiedlichen Vorhersagen verunsichert Anleger noch mehr. So schwanken aktuelle Dax-Prognosen deutscher Banken für die Zeit bis Ende August zwischen 4.800 (BHF-Bank) und 5.700 (HypoVereinsbank), im vergangenen Jahr lagen mehr als die Hälfte der Finanzdienstleister mit ihren Expertentips daneben. Zwar sind eigene Geschäfte der Experten vor der Veröffentlichung ihrer neuesten Vorhersagen gemäß Wertpapierhandelsgesetz verboten, doch „Scalping“, so der Fachjargon, nur schwer nachzuweisen. Dabei skalpieren, bildlich gesprochen, Börsen-Insider die schlecht informierten Privatanleger, indem sie eigene Geschäfte tätigen, bevor sie ihre kurswirksamen Empfehlungen veröffentlichen.

Gegen den Börsenguru Egbert Prior, der im vergangenen Jahr bei der 3sat-Börse zum Medienstar avancierte, ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft. Ihm wird vorgeworfen, sich vorab mit genau jenen Werten eingedeckt zu haben, die er dann freitags abends seinen rund 600.000 Zuschauern als heißen Tip empfahl. Noch ist das Hauptverfahren der Frankfurter Staatsanwaltschaft nicht eröffnet, doch der Wirbel um seine Person und seine Tips ließ die Auflage des Informationsbriefes „Prior Börse“ schon nach oben schnellen. Prior dazu: „Jede Herde braucht einen Hirten, deshalb haben Gurus immer Konjunktur.“ Auch wenn sie nichts wissen und möglicherweise nur an das eigene Depot denken. Horst Peter Wickel