„Das Original heißt FDP“

■ FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle fordert die jungen grünen Realos auf, in seine Partei einzutreten: Die Mehrheit der Grünen ist Trittin

taz: Herr Westerwelle, jetzt sind Sie als Experte für wirtschaftsfreundlichen Liberalismus gefragt. Welche Note geben Sie dem Strategiepapier der jungen Realos?

Guido Westerwelle: Das Papier ist entwicklungsfähig.

Das ist alles?

Was wollen Sie? Die jungen Grünen sind doch bisher nur durch ihr Scheitern aufgefallen. Herr Özdemir hat versucht, Ausländerbeauftragter zu werden, Herr Berninger ist als Parteichef in Hessen durchgefallen, und Herr Metzger fordert vergeblich den Rücktritt des Umweltministers. Diese Mannschaft hat keine Mehrheit in der Partei. Die Mehrheit der Grünen ist Trittin.

Die jungen Realos sind nach Westerwelle-Maßstab also noch keine guten Liberalen?

Wenn Sie Liberale sein wollen, dann müssen sie zur FDP wechseln. Nur in unserer Partei haben Liberale eine Mehrheit. Ob die Genannten allerdings wirklich nach der Devise handeln, daß das Private vor dem Staat kommt, müssen sie erst noch beweisen. Bisher sind sie Mitglieder eines Alt-68er-APO-Opa-und-APO-Oma-Vereins. Ich lade die jungen Realos herzlich ein, in die FDP einzutreten.

Was sollen die denn in einer Dreiprozentpartei?

Es gibt nur eine organisierte Kraft des Liberalismus, und das ist die FDP. Wer liberal ist, wird früher oder später dorthin finden. Im übrigen waren wir bei den letzten Kommunalwahlen fast doppelt so stark wie die im Osten pulverisierten Grünen.

Die CDU ist die Mitte, die SPD die neue Mitte, die FDP glaubt auch, die Mitte zu sein, jetzt noch die Grünen – wird's da nicht ein bißchen eng?

Ich halte diesen Drang zur Mitte für eine logische Entwicklung. Die FDP ist mit ihrem Grundsatzprogramm schon dort, wo sich die Gesellschaft und alle anderen Parteien jetzt hinbewegen: die CDU mit ihrer Ladenschlußdiskussion, die SPD mit ihrem Schröder-Blair-Papier, die Grünen mit ihren jungen Liberalos.

Aber keiner weiß, was diese ominöse Mitte ist. Sie auch nicht.

Es muß doch etwas Verlockendes an unserer Idee dran sein, wenn alle Parteien in Richtung FDP-Programmatik marschieren. Die Grünen waren in den 80er Jahren die Partei, die den Umweltschutz ganz oben auf ihrer Agenda hatte. Aber es hat nur wenige Jahre gedauert, bis sich die anderen Parteien dieses Themas angenommen haben. Den Grünen hat diese Außenseiterrolle damals alles andere als geschadet. Die FDP befindet sich heute in einer ähnlichen Situation. Ich empfinde das als eine Ermutigung, unsere Positionen angriffslustiger und kantiger zu vertreten. Das Original heißt FDP.

Aber das Original blickt in den politischen Abgrund.

Solange die FDP existiert, hat sie immer wieder in den Abgrund geschaut. Wir waren jedoch immer klug genug, unsere Schwierigkeiten zu meistern. Was Sie tot glauben, lebt noch und ist putzmunter.

Wenn sich die Grünen ernsthaft zu einer grünen FDP wandeln – pragmatisch, ökologisch, sozial orientiert –, dann könnte Ihre putzmuntere FDP ganz schnell zu röcheln anfangen. Ihre Partei wäre einfach überflüssig. Geben Sie's zu, ein bißchen Angst haben Sie davor.

Ich habe keine Angst. Liberale Politik besteht aus wirtschaftlicher und aus gesellschaftlicher Freiheit. Das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Nur wer die liberale Idee so umfassend versteht, ist wirklich ein Liberaler.

War dieses Interview jetzt ein Beispiel für echten Liberalismus, den sich die jungen Grünen ins Stammbuch schreiben sollten?

Auf jeden Fall.

Interview: Jens König