Grüne schießen sich auf Trittin ein

Die Diskussion um das Thesenpapier der 40 Junggrünen wird immer mehr zu einer Auseinandersetzung um den Linken Jürgen Trittin. Noch ist die Parteiführung offiziell um Ausgleich bemüht  ■   Aus Bonn Patrik Schwarz

Hat sie den Satz auswendig gelernt? Katrin Göring-Eckardt lacht. „Nein, das habe ich mir selbst ausgedacht.“ In auffallend gewählten Worten hat die grüne Bundestagsabgeordnete gerade gesagt, daß sie zu Umweltminister Jürgen Trittin lieber nichts sagt.

Die 33jährige aus Thüringen gehört zu den 40 vorwiegend jungen Unterzeichnern des Programmpapiers, das seit dem Wochenende die grüne Partei in Unruhe versetzt. Obwohl Trittin darin namentlich nicht genannt wird, richtet sich die ganze Linie gegen die linke Strömung in der Partei, die der Umweltminister im Kabinett repräsentiert. Göring-Eckardts Vorsicht hat Gründe. Drei Tage nach Bekanntwerden ihres Dokuments versuchen die Verfechter einer selbstdefinierten Modernisierung den Eindruck zu vermeiden, sie wollten die Person Trittin ins Visier nehmen.

Letztlich war es gestern in Gestalt des haushaltspolitischen Sprechers Oswald Metzger ein 44jähriger, der den Umweltminister direkt angriff – ein Zeichen dafür, daß der aktuelle Konflikt eher zwischen Realos und Linken stattfindet als zwischen alt und jung. „Wir leiden durch Trittin an einem Malus, mit dem die Partei auf Dauer nicht leben kann“, begann Metzger. Weil Trittin im Auftrag von Bundeskanzler Schröder die Altautoverordnung der EU zu Fall brachte, warf Metzger ihm vor, er mache die Grünen „unglaubwürdig“. Bei den Grünen sei die „innerliche Absetzbewegung“ von Trittin groß, „keiner sagt, der Junge muß bleiben“. Das Fazit: „Ich bin der Auffassung, wir würden einen Befreiungsschlag erleben, wenn Jürgen Trittin selber den Hut nähme. Ein bis zwei Prozentpunkte würde uns das sofort bringen.“

Auch in der Grünen-internen Koalitionsrunde am Montag abend ging es „etwas lebendiger“ zu, wie ein Teilnehmer erzählt. In dem Kreis aus Bundes- und Fraktionsvorstand sowie den grünen Kabinettsmitgliedern wurde Trittin unter anderem wegen seiner mangelnden Bereitschaft zur Kommunikation angegriffen. „Wenn wir aus anderen Ministerien soviel Informationen bekämen, wären wir schon froh“, verteidigt ihn nachträglich ein Trittin-Sympathisant.

Das Modernisierungspapier der jungen Grünen spielte in diesem Kreis wie bei der Bundesvorstandssitzung am selben Abend eher eine untergeordnete Rolle. Vielmehr scheint es, als würde die Diskussion um die künftige Programmatik der Partei nun als Auseinandersetzung um Trittin ausgetragen. Einer der führenden Gegner des Modernisierungspapiers schlug sich gestern demonstrativ auf die Seite des Umweltministers. „Trittin ist genau da richtig, wo er sitzt“, sagte der Bundestagsabgeordnete Christian Simmert. „Er hat Fehler gemacht – aber wer in diesem Kabinett hat keine gemacht?“

Die Parteiführung ist offiziell noch um Ausgleich bemüht. Geschäftsführer Bütikofer nannte gestern Rücktrittsforderungen „dumm und kurzsichtig“. Doch die Differenzen in der programmatischen Ausrichtung lassen sich zunehmend schwerer überbrükken. Die beiden Vorstandssprecherinnen Antje Radcke und Gunda Röstel bezogen gestern unverhohlen gegensätzliche Positionen. Röstel stellte sich ausdrücklich hinter die Idee aus dem Papier der 40 Jungen, die Partei müsse sich von Mitgliedern trennen, die wegen des grünen Kosovo-Kurses zum Boykott der Partei aufgerufen hatten. Antje Radcke verurteilte die jungen Realos gerade wegen dieser Forderung: „Die Hälfte dieses Papiers beschäftigt sich damit, möglichst einen Teil unserer Mitglieder loswerden zu wollen.“