Der Sekundant

■ Mit dem Jazz-Gitarristen Ernest Ranglin kommt der Gitarrenlehrer von Bob Marley

Als Mitte der 70er Jahre der Stern eines gewissen Monty Alexander aufzugehen begann, staunte das Fachpublikum nicht schlecht: Der Jazzpianist aus Jamaika, in Sachen Fingerfertigkeit und Repertoire-Kompetenz einem Oscar Peterson ebenbürtig, kochte „Green Dolphin Street“ und andere Standards ganz unverschämt mit reizvollen karibischen Zutaten ab.

Dezenter zwar als die Cuban-Bop-Pioniere Chano Pozo und Dizzy Gillespie dreißig Jahre zuvor, aber wirkungsvoll genug, um mit Rass! eines jener unsterblichen Alben des famosen MPS-Labels aus Villingen-Schwenningen hervorzubringen. Heute provoziert Rass! meistens die Frage nach dem zweiten Solisten: Wer zum Teufel wagt es, eine solche Gitarre zu spielen?

Ernest Ranglin hatte damals vielleicht das Pech, nur als Sekundant wahrgenommen zu werden – ein Jamaikaner auf dem internationalen Jazzparkett reichte fürs erste. Und es sollte tatsächlich weitere zwei Dekaden dauern, bis man hierzulande wieder mehr als nur Notiz von den Aktivitäten des Ausnahme-Gitarristen nahm. Der hatte unterdessen in seiner Heimat zwar mit Lee Perry, den Skatalites u.a. zusammengearbeitet, aber erst 1996, als Ranglin in London Wohnsitz nahm, kam ein Comeback in Gang, das ihn als feste Größe rehabilitierte. Nach seinem Genie-streich In Search of the lost riddim ist der 67jährige nun sogar reif für die Festivals von Montreux und Den Haag – und kommt vorher mit seiner siebenköpfigen, trommel-lastig besetzten Tourband noch in die Fabrik.

Bei aller Weltmusik-Gewöhnung und Crossover-Abrichtung wird man diesen Gitarristen heute kaum mehr als Exoten bestaunen, auch wenn er nach wie vor sehr unüblich spielt: Ranglins Soli können als quasi teilnahmsloses Murmeln beginnen und in gleichsam selbstvergessenen Schleifen enden. Aber dazwischen schüttelt er immer wieder Akkorde, krumm wie gewachsen, aus dem Ärmel. Shuffle, Offbeat, Groove – abgegriffene Schlagworte üblicherweise, bei Ernest Ranglin aber eine Verkettung äußerst glücklicher rhythmischer Umstände.

Denn er hat seine geballte Jazzkompetenz vor einen Karren voller afrokaribischer Roots gespannt, der mit gehörigem Holterdipolter Fahrt aufnimmt. Deshalb sollte man schleunigst Gerechtigkeit walten lassen und Ranglin mindestens genauso frenetisch feiern wie die versammelten kubanischen Onkels, die sich zur Zeit vor Zuwendung kaum retten können. Andreas Schäfler

So, 4. Juli, 21 Uhr, Fabrik