: Wilde Kerle, harte Rhythmen
Hart, aber ehrlich: Keiner steppt so laut, so schmutzig und so erfolgreich wie das australische Sixpack Tap Dogs ■ Von Stefanie Heim
Richtige Männer sind das. In ihren Jeans, Holzfällerhemden und Arbeiterstiefeln – quasi in australischer Nationaltracht – kommen sie auf die Bühne und machen das, was sie am besten können: Steppen. Bitte jetzt nicht genervt aufstöhnen, vergessen wir einfach mal die aktuell sehr beliebte kitschige Step-Variante großer Ensembles. Denn der Tanz der Tap Dogs ist hart und ehrlich.
Mit ihrem Worker-Outfit steppen sich die Tanz-Underdogs durch die abenteuerliche Bühnenkonstruktion aus Stahlgerüsten, Leitern und Seilen. Der Bezug zur Arbeitswelt ist keine schale Ausstattungsklamotte. Dein Perry, der Schöpfer und Choreograph der Tap Dogs, kommt nämlich aus der Stahlkochermetropole Newcastle, einer riesigen Industriemetropole im Südwesten Australiens. Und hier nahm die Story der „steppenden Hunde“ auch ihren Anfang.
Es begab sich zu der Zeit, als Dein in der Garage hinterm Haus seines Tanzlehrers mit ein paar anderen Jungs erste Steppversuche machte. Von einer Karriere als Profitänzer konnte der Junge aus bescheidenem Hause allerdings zunächst nur träumen. So begann er mit 17 Jahren eine Lehre als Maschinenschlosser. Und es zog ihn nach Sydney, in die verlockende Kulisse der Großstadt. Hier verdingte er sich als Hilfstänzer bei Musicals. Bis er für die glanzvolle Hauptrolle von 42nd Street entdeckt wurde.
Doch statt dem verlockenden Ruhm zu verfallen, besann sich Dein seiner Wurzeln. Der klassische und glamouröse Broadway-Stepptanz war nicht seine Welt, er war auf der Suche nach einer Plattform für eine neue Ausdrucksform. Er besuchte seine Kumpels von einst, die jetzt in diversen Berufen arbeiteten, und gründete die Tap Brothers. Der spontane Erfolg brachte Deins Truppe bis ins Londoner Westend.
Die dann folgende Zusammenarbeit mit der Sydney Theatre Company bescherte einen neuen kreativen Freund und Helfer: den Bühnenbildner und Regisseur Nigel Triffitt. Als Highlight des Sydney Festivals 1995 begann der Siegeszug der Newcastler Tap Dogs durch die Welt. Zweimal schon wurde Dein Perrier für seine Choreographien der Olivier Award verliehen. Sich so hochzusteppen, ist fast ein modernes Märchen.
Eine Sensation nicht nur für die weltweit gefeierten Jungs um Dein Perry. Auch für die australische Kulturlandschaft ist es eine einschneidende Entwicklung. Denn – abgesehen von der Kunst der Aborigines, die nach sehr später Erkenntnis seit einigen Jahren gefördert wird – war Australien vor einem Jahrzehnt noch kulturelles Brachland. Der freie australische Bürger, der dem Individualismus fröhnt, lehnt jede Reglementierung durch staatliche Organe ab – doch dieses Credo weißer Australier hat den Nachteil, daß die Künste in einem rein nutzorientierten Klima nicht gut gedeihen konnten.
Eine Erkenntnis, die die Whitlam-Regierung 1992 mit ihrer finanziellen Förderung der Künste radikal ändern wollte. Sie löste einen regelrechten Rückkehr-Schub von im Ausland erfolgreichen australischen Künstlern aus: Eine schillernde, sinnenfrohe, explodierende Kunstszene entstand. Von dieser Aufbruchsstimmung zehrt man noch heute.
Auch die Tap Dogs profitierten davon und perfektionierten ihren wahnwitzigen Stepptanz mit den stahlbeschlagenen Arbeiterstiefeln im Laufe der Jahre: schwitzend und hinternwackelnd.
In Zusammenarbeit mit Nigel Triffitt, einem der führenden Theaterkünstler Australiens, haben sie eine gigantische Show auf die Beine gestellt. Diesen Sommer dröhnen, steppen, touren sie damit durch Deutschland. Und wenn die Tap Dogs nicht gestorben sind, dann tanzen sie ab dem 6. Juli auch in Hamburg.
Vorpremiere am 6. Juli, Premiere am 7. Juli, jeweils 20 Uhr; bis 8. August täglich außer Mo zu wechselnden Zeiten. Ort stets: Thalia Theater
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