Trinidads Antwort auf James Last

■ Das Renegades Steelband Orchestra spielte im Schlachthof vor einem (fast) ausnahmslos begeisterten Publikum Musik vom Faß

Dieser Ton ist einmalig: Vierzehn Musiker trommeln auf blechernen Faßdeckeln mit atemberaubender Geschwindigkeit, Lautstärke und Präzision herum – das klingt sehr hell, schwarz und energisch. Die einzelnen Stimmen sind mehrfach besetzt, so spielen etwa vier Bandmitglieder die „Sopran-Stahltrommeln“, vier andere die „Baß-Blechfässer“ – immer unisono, immer extrem synchron. Zunächst war man nur baff angesichts dieser orchestralen Virtuosität. Zudem war die Musik noch extrem tanzbar. Im Grunde war jedem Stück der gleiche Calypso-Rhythmus unterlegt, und so verwandelte sich der Auftritt der Renegades Steelband Orchestra im Schlachthof immer mehr von einem Konzert in eine Tanzparty.

Wer da nun einwendet, daß das musikalische Konzept der Band eher simpel ist, daß letztlich jedes Stück mit dem gleichen Arrangement für die Band zurechtgestutzt wurde, und daß sich das Orchestra aus Trinidad paradoxerweise bald recht eintönig anhörte, ist natürlich ein Miesmacher. Aber wenn ich hier nur berichte, daß sich die meisten ZuhörerInnen prima amüsiert haben (einige gingen aber auch schon nach ein paar Stücken), ist das ja nun auch nicht das Wahre.

Verdächtig (und im Grunde ja auch geschummelt) war schon, daß die 14 Blechschläger von einem Schlagzeuger und zwei Percussionisten auf Congas, Bongos und anderem Schlagwerk rhythmisch unterstützt wurden. Zudem begann fast jedes Stück mit einer Introduktion auf dem Schlagzeug, die jeweils Takt und Geschwindigkeit vorgab. Für die Musiker war dies eine einfache Lösung, um jeweils die Einsätze zu finden. Aber der Sound wurde durch das Getrommel von Anfang an breiig.

Man hätte zum Beispiel gerne gehört, wie die Baßfässer alleine klingen, oder wie die Tenor-Steeldrums ein Thema von den Sopran-Steeldrums übernehmen und variieren, aber das wurde nicht einmal in Ansätzen versucht. So spielte die Band fast völlig ohne dynamische Variationen, alle hauten immer gleich knallig drauf, und die Arrangements zeichneten sich nicht durch besondere Raffinesse aus.

So war es letzlich egal, ob die Band „I Shot the Sheriff“, einen Gassenhauer von Glen Miller oder einen Song von Sting spielte: Alles wurde bis auf die kleinsten Erkennungszeichen reduziert, und dann als akustischer Großangriff auf das Publikum losgelassen. Dazu gesellten sich auch noch die gnadenlosen Animationsversuche durch einen der Steeldrummer, der das Publikum mit seiner durchsetzungsfähigen Körpersprache so nachhaltig zum Klatschen, Mitsingen oder Aufstehen aufforderte, daß es schon fast an Nötigung grenzte.

Aber, wie gesagt, das Publikum ließ sich nur allzu gerne nötigen, und die Band erfüllte offensichtlich ihren Zweck. Sie spielte funktionelle Musik, und entpuppte sich als Trinidads Antwort auf James Last.

Wilfried Hippen