Nachgefragt
: Kleidergeld runter?

■ Staatsrat fürchtet Kürzungen bei der Sozialhilfe und neue Zwangsarbeit

Meldungen über höchste Sozialhilfe-Kosten in Bremen – pro Einwohner 1.143 Mark statt im Bundesdurchschnitt 484 – sorgten gestern für Aufregung. Bremens Sozialhilfe-Empfänger bekommen nicht am meisten Geld, schlugen Wohlfahrtsverbände Alarm. Wir fragten nach bei Sozialstaatsrat Hans-Christoph Hoppensack und sprachen über befürchtete Kürzungen im Sozialhilfebereich.

taz: Lügt die Statistik?

Hans-Christoph Hoppensack: Das Statistische Bundesamt hat lediglich die Sozialausgaben pro Kopf ausgerechnet – also die Sozialhilfeempfänger-Anzahl durch die Einwohnerzahl geteilt. Die Statistik zeigt also nur, daß in Bremen besonders viele Sozialhilfeempfänger leben.

Ein anderer Städtevergleich, der konkret das Geld pro Sozialhilfefall verglich, kam aber vor Monaten laut Rechnungshof zu dem Ergebnis: Bremen gibt 30 Millionen Mark zuviel aus?

Darüber haben wir mit dem Rechnungshof eine Auseinandersetzung gehabt. Und wir erwarten, daß er dazu auch noch konkret Stellung nimmt.

Wozu?

Der Rechnungshof hatte ja die Stadt mit dem niedrigsten Aufwand herangezogen und gesagt: Wenn ihr das genauso macht, könnt ihr Millionenbeträge sparen.

Getreu dem Motto: Das Billigste ist das Beste und Bremen soll nach unten angleichen?

So etwas wird uns sicherlich vorgehalten werden. Danach wird politisch bewertet, ob man sich auf diese Ebene begeben will. Und da wird man uns mit Sicherheit drücken: Denn die Koalition hat ein Nullwachstum für die Sozialausgaben vereinbart.

Sie rechnen also ganz sicher mit dem Kürzen von Bekleidungspauschalen oder einmaligen Leistungen wie Weihnachtsbeihilfe, bei denen der Rechnungshof immerhin Sparpotentiale von rund 20 Millionen Mark sah?

Ja, aber es kann auch sein, daß man sagt: Kontrolliert die Leute doch stärker mit Hausbesuchen oder verpflichtet sie generell zur Arbeit oder verweigert viel schneller Leistungen, als es bisher geschieht.

Gekürztes Kleidergeld würde in Bremen vor allem Familien treffen. Ein Drittel aller Sozialhilfeberechtigten sind Kinder und Jugendliche?

Das stimmt.

Und wie würde das mit der Zwangsarbeit – wer nicht arbeitet, bekommt kein Geld mehr – laufen?

Bisher war ja immer unser Standpunkt, daß wir die Arbeit nicht benutzen wollen, um abzuschrecken, sondern um zu helfen. So ist es auch im Gesetz gemeint. Ich befürchte, daß künftig aber die Stimmen kommen, die sagen: Ach, die Stadt ist doch so dreckig. Dann laßt sie doch die Straße fegen. Wir wollten, daß die Leute sich weiterqualifizieren können – und irgendwann auch ohne uns zurecht kommen. Straßenfegen und andere Vertreibungsangebote erhöhen dagegen den Drehtüreffekt.

Fragen: Katja Ubben