„Meine Kampfansage an diese Stadt“

■ Ulla Luther, die profilierte Staatsrätin für Stadtentwicklung und Bau, muß nach zwei Jahren ihren Platz räumen / Ihr Thema: Was will Bremen für eine Stadt sein im nächsten Jahrhundert?

taz: Sie packen ihre Sachen – wohin zieht es Sie?

Ulla Luther: Nach Hamburg oder Berlin. Ich weiß noch nicht, wo ich meine Füße wieder unter den Tisch bekomme. Aber ich sehe für mich eine große Chance, das zu tun, wozu ich wirklich Lust habe. Ich würde gerne in den Hochschulbereich gehen.

Als Sie vor knapp zwei Jahren nach Bremen kamen, da hatten Sie Lust zu dieser Stadtgestaltungs-Aufgabe hier in Bremen. Was ist ihr größter Erfolg?

Es ist gelungen, das Bauen und Gestalten wieder in die Öffentlichkeit zu bringen.

Mit der Veranstaltungsreihe unter dem Titel Stadtentwicklungs-Gespräche?

Das ist nicht nur eine Veranstaltungsreihe, das ist die moderne Art der Wahrnehmung kommunaler politischer Verantwortung. Man kann nicht hinter verschlossenen Türen entscheiden, da bin ich in großer Kontroverse mit vielen, die das anders handhaben, insbesondere in Bremen.

Worum ging es bei den Stadtentwicklungs-Gesprächen?

Es ging um die Frage: Was will Bremen für eine Stadt sein im nächsten Jahrhundert? Die Stadt muß sich selber als Stadt begreifen und begeisterungsfähig sein. Das ist offenbar in Bremen schwierig. Wenn man über sich sagt: Wir sind sowieso nur ein Dorf mit Straßenbahn, drückt das viel aus. Das wollte ich verändern. Wenn sie über die Grenze gehen nach Amsterdam oder Rotterdam, dann werden Sie staunen, mit welcher Freizügigkeit und welcher Zukunftsvision die über ihre Stadt nachdenken. Davon hätte ich mir ein kleines Stück in Bremen gewünscht. Ich bilde mir ein, daß ich das ein bißchen angeschubst habe, aber noch zu wenig, und daher bin ich traurig, daß das jetzt schon zu Ende ist.

Hat Sie der Senat bei diesem Versuch, die Stadt für das nächste Jahrhundert zu denken, unterstützt?

Nein. Ich weiß bis heute nicht, warum das so ist. Es hat in Bremen keine Tradition, über diese Stadt nachzudenken.

Der Bürgermeister Henning Scherf hat bei einer dieser Stadt-entwicklungs-Veranstaltungen deutlich gesagt, er halte es für einen alten sozialdemokratischen Fehler, große Pläne zu formulieren für die Stadt. Man müsse fragen: Wer hat Geld, was willst Du machen, komm her.

So handelt Bremen im Moment sehr extrem. Sicherlich haben Sozialdemokraten lange an Plänen gearbeitet, die sich am Anspruch einer gerechten Stadt orientierten. Diese Art von Planung hat auch eklatante Fehler produziert, Osterholz-Tenever ist das Bremer Beispiel. Da wo die Kühe stehen, sollte Urbanität durch Dichte entstehen. Sowas hat Stadtplanung in Mißkredit gebracht.

Sozialdemokratisiche Stadtplanungs-Entwürfe hatten oft auch wenig Kultur, die kulturellen und baupolitischen Bedingungen wurden nicht berücksichtigt.

Die Architektenkammer hat begrüßt, daß die SPD die Verantwortung für das Bauressort übernimmt. Gab es da einen Unterschied zwischen CDU und SPD in der Stadtplanungspolitik?

Nein. Das ist unabhängig von parteipolitischer Couleur.

Haben Sie von der CDU, die Sie geholt hat, im Senat mehr Unterstützung gehabt als von SPD-Seite?

Nein, weil ich ja provoziert habe. Ich habe ein anderes Stadtbild, und da bin ich mir mit meinen Kollegen vom Fach einig. Ich bin gegen diese wahnsinnigen Großprojekte, die derzeit in dieser Stadt implantiert werden, ohne daß man sie in Beziehung zur Stadt setzt. Und gleichzeitig treibt man die Stadt immer weiter in die Fläche. Das muß sich auch die SPD in Zukunft fragen lassen: Wie teuer wird die Stadt eigentlich?

Warum ist das teuer?

Wenn man die Stadt immer weiter nach außen entwickelt, dann wird sie teurer. Das zahlt ja alles die Allgemeinheit: die Infrastruktur, die Straßen, die Buslinien. Neben der Tatsache, daß dadurch auch wichtige Elemente der Gemeinschaft verloren gehen. Wir haben genügend Bestand, mit dem wir sorgfältig umgehen müßten. Was was wir gebaut haben, müßte ergänzt werden, aber das lassen wir liegen und bauen außen neu.

Etwa in Brokhuchting.

In Brokhuchting ein neues Wohnungsbaugebiet aufzumachen finde ich falsch, aus stadtplanerischer Sicht. Genauso falsch wie den Büropark Oberneuland.

Warum ist für Brokhuchting so entschieden worden?

Das stand in der Koalitionsvereinbarung.

Gab es dafür einen Grund außer dem, daß da ein CDU-Mann als Bauer Land verkaufen wollte?

Das Argument war, daß man in dieser Stadt Einfamilienhaus-Gebiete entwickeln wollte.

Da gibt es diverse andere Gebiete, die besser geeignet sind.

Sicherlich. Da kann man nur was ahnen. Warum das politisch gewollt war, entzieht sich aber meiner Kenntnis.

Was ahnen Sie?

Das will ich jetzt hier nicht sagen.

Im Wirtschaftsressort hat man inzwischen erkannt, daß es ein Fehler war, Universität und Technologiepark menschenleer zu planen ...

Daß das von dem Wirtschaftsstaatsrat Haller kommt, werte ich als meinen größten Erfolg, allerdings kommt es von ihm in anderer Intention.

... mit der Absicht, hinter dem Technologiepark – und das heißt: hinter der Autobahn – jetzt Wohnungen zu bauen.

Anstatt das, was da ist, einmal zu entwickeln. Technologiepark und Airport-Stadt sind als Langeweile auf hohem Niveau geplant. Da ist keine Stadt, kein Café, keine Kneipenszene, für Studenten tierisch langweilig. Das wird es auch nicht geben, solange da nicht der Alltag einzieht, und das passiert nur, wenn man da Wohnen denkt. Dieses Wort darf man ja in Bremen nicht in den Mund nehmen. Aber das erst wäre Stadt. Der gleich Fehler passiert planerisch am Flughafen, beim Büropark Oberneuland, in der Arberger und Mahndorfer Marsch. Und in den alten Hafengebieten soll es genauso werden. Das ist meine vehemente Kampfansage an diese Stadt, um es drastisch zu formulieren. Wir müssen modern denken. Fahren Sie nach Amsterdam, dort wird Wohnen mit der Dienstleistung zusammen gedacht, nur das ist Stadt. In der Universitätsstadt ist doch Raum genug, da muß man doch nicht gleich ins Hollerland springen. Ich bin auch gegen den Begriff des „Parks“. Park drückt etwas aus, das nicht Stadt ist. Das Wort Park wird im Grunde ja auch nicht ernsthaft für Parklandschaften verwendet. Die Grünbereiche erschöpfen sich in Stellplatzflächen. Aber wo von „Park“ geredet wird, wird nicht Stadt geplant.

Ich habe nie verstanden, warum das alte Überseehafenbecken zugeschüttet worden ist ...

... ich auch nicht.

... und warum mit 200 Millionen Mark Subventionen der Großmarkt dorthin umgesiedelt werden soll.

Mindestens 200. Wenn man die zugesagten dauerhaften Festmieten rechnet und dazu zählt, kommt man vermutlich auf eine andere Zahl.

Es muß doch eine Erklärung dafür gegeben haben, warum das Wirtschaftsressort das so wollte.

Das Interesse des Wirtschaftsressorts war es, die Airport-Stadt weiterzuentwickeln. Das ist ja auch so aberwitzig: Dort denkt man hochwertige Arbeitplätzen, und ein anderes Stadtquartier, das mit großer Nähe zur City und zum Wasser zur Verfügung steht, wird mit niederwertigen Arbeitsplätze verplant. Alle Experten von auswärts, die in unseren Veranstaltungen aufgetreten sind, haben gesagt: Ein Hafenbecken zuzuschütten und das auch noch ohne einen Plan, was da entstehen soll, das ist heller Wahnsinn. Ortwin Runde, der Hamburger Bürgermeister, hat es im Grunde ja auch gesagt. Stadtplanerisch macht das auch überhaupt keinen Sinn. Der Großmarkt muß da ja auf Pfählen gegründet werden, der Untergrund hat sich noch nicht gesetzt. Die Verkehrsanbindung stimmt nicht, die Großmarkt-Händler sind eigentlich dagegen.

Warum wurde dennoch so entschieden?

Das hat sich mir nie erschlossen. Da muß etwas sein, was ich nicht kenne. Diese Stadt ist ja sehr persönlich, ich kenne die Verflechtungen nicht. Fragen: K.W.

Fotos: Laura Marina