■ Filmstarts a la carte
: Die Suche nach dem linken Weg

Da man sich beim Lichtblick- Kino stets um eine revolutionäre Haltung bemüht, wurde nunmehr der gute alte Marxist Pier Paolo Pasolini entstaubt und seine Filme zu einer Retrospektive zusammengestellt. Eines der seltsamsten Werke ist die Parabel Große Vögel, kleine Vögel. Der bedeutende italienische Komiker Toto und sein Filmsohn Nino Davoli marschieren endlose Straßen entlang: durch ländliche Gegenden, über monströse Autobahnen, durch Neubaugebiete, die wie eine Parodie auf Antonioni-Filme anmuten. Die Protagonisten reisen – und wissen nicht wohin; sie suchen – und wissen nicht wonach. Die Geschichten, in die sie verwickelt werden, zeigen das Leben wie es meistens ist: beschissen. Geburt und Tod, Arm und Reich, Krieg und Sex. Der heilige Franziskus hält eine kämpferische Rede über die notwendige Veränderung der Gesellschaft – doch Toto und Nino verstehen ihn nicht. Ein linksphilosophischer Rabe versucht, ihnen die Welt zu erklären – sie essen ihn auf. Am Ende ist alles wie am Anfang: Heiter, gelassen und dumm ziehen die beiden ihres Weges.

Ebenfalls auf dem Programm: Pasolinis Erstling Accatone – Wer nie sein Brot mit Tränen aß, die Geschichte eines römischen Zuhälters aus dem Armenmilieu, die in ihrer Ästhetik noch stark dem Neorealismus verhaftet ist, und Das erste Evangelium – Matthäus mit Christus als Ur-Marxisten, was die katholische Kirche gar nicht lustig fand.

Große Vögel, kleine Vögel, Das erste Evangelium – Matthäus 3.7.-7.7.; Accatone – Wer nie sein Brot mit Tränen aß 3.7. im Lichtblick-Kino

Von den Höhen der Filmkunst in die Niederungen: Der amerikanische Regisseur Ed Wood kam zu reichlich unverdientem Kultruhm, als einige Scherzkekse in den siebziger Jahren sein Alien- Movie Plan 9 from Outer Space zum miesesten Film aller Zeiten kürten. Woods Hauptdarsteller, der schwer drogensüchtige Horrorstar Bela Lugosi, war kurz nach Produktionsbeginn gestorben – mehr schlecht als recht stoppelte der Regisseur sein Epos über die außerirdischen Vampire zusammen. Doch auch weniger katastrophenträchtige Produktionen wie Bride of the Monster (mit Lugosi als verrücktem Wissenschaftler im Kampf mit einem Riesenkraken) und Glen or Glenda? (der Regisseur als Transvestit mit Vorliebe für Angorapullis) zeigten kaum bessere Resultate. Daß Woods Filme immer noch gezeigt werden, kann indessen nicht allein daran liegen, daß sich die Zuschauer über die unfreiwillige Komik seiner Werke amüsieren – ihr Überleben (der Werke, nicht der Zuschauer) ist auch eine Hommage an den Enthusiasmus und die Unbeirrtheit des Regisseurs, der trotz aller Widerstände seinen ganz persönlichen Weg ging. Manchmal ist Talent eben zweitrangig.

Glen or Glenda?, Plan 9 from Outer Space 3.7.; Bride of the Monster 1.7.-7.7. im Arkona-Filmtheater

Er besaß genügend Talent: Alfred Hitchcock, der am dreizehnten August dieses Jahres einhundert Jahre alt geworden wäre. Das Filmkunsthaus Babylon startet die Hommage schon einen Monat früher – mit dem wenig bekannten frühen Tonfilmkrimi Mord – Sir John greift ein und mit dem sehr bekannten Horrorfilm Die Vögel, dessen außergewöhnlichen Ton (Oskar Sala am Mixturtrautonium) man jedoch erst so richtig im Kino genießen kann.

Mord – Sir John greift ein (OF) 2.7.., 6.7.-7.7.; Die Vögel 1.7., 3.7.-4.7. im Filmkunsthaus Babylon

Lars Penning