Tod durch Überforderung

Polizeipannen führten offenbar zur Erschießung eines Kölner Rentners durch Polizisten in Thüringen. Innenminister Dewes hat seinen Rücktritt ausgeschlossen  ■   Von Nick Reimer

Erfurt (AP/taz) – Die Erschießung eines Kölner Urlaubers durch Polizisten im thüringischen Heldrungen war offenbar die Folge schwerer Polizeipannen. Darauf deuten erste Erkenntnisse zum Ablauf des Geschehens hin, auch wenn sich Innenminister Richard Dewes (SPD) mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen noch bedeckt hält und die beiden Schützen weiter schweigen. Als sicher gilt, daß die beiden Schutzpolizisten, die den 62jährigen Rentner Friedhelm B. erschossen, weil sie ihn mit dem „Mörder von Remagen“ verwechselten, von der Situation völlig überfordert waren.

Der Ermittlungsstand: Die Zivilpolizisten hatten lediglich den Auftrag, den im Fernsehen geäußerten Verdacht zu prüfen, der Massenmörder Dieter Zurwehme sei im Heldrunger Hotel „Zur Erholung“ abgestiegen. „Die Beamten ermittelten statt Zurwehme den Rentner Friedhelm B. aus Köln. Über die Einsatzzentrale ließen sie klären, ob es in Köln tatsächlich einen B. gibt. Das wurde bestätigt“, erklärte der Erfurter Oberstaatsanwalt Klüber. Allerdings hatte sich der Wanderer dem Wirt gegenüber nicht ausgewiesen, wollte das am nächsten Morgen tun. „Die Beamten wollten daraufhin die Personalien überprüfen“, so Klüber. Was dann geschah, ist weiter unklar. Fest steht nur: Ein Schuß wurde durch die geschlossene, einer durch die offene Tür abgegeben.

Der Vorsitzende des Landtags-Innenausschusses, Willibald Böck (CDU), rätselt, warum lediglich Zivilbeamte der Schutzpolizei nach Heldrungen beordert worden waren. Angesichts des Verdachtes sei doch wohl ein Sondereinsatzkommando (SEK) des Landeskriminalamtes nötig gewesen. Das wurde aber erst angefordert, als der Rentner schon erschossen war. Der Ex-Innenminister vermißt eine klare Führungsstruktur innerhalb der Thüringer Polizei, seit sein Nachfolger Dewes das Polizeipräsidium abgeschafft hat. Auch der Inspektor der Thüringer Polizei, Wolfgang Göbel, erklärte, die Festnahme eines bewaffneten Schwerverbrechers sei eine Aufgabe für ein SEK.

Ein Bild-Bericht, der vom LKA weder bestätigt noch dementiert wurde, zählt eine Reihe von polizeilichen Pannen auf. Dienstherr Dewes – zugleich auch SPD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl im Herbst – schloß inzwischen einen Rücktritt aus.

Hans Jürgen Stahn, der Vizechef der Thüringer Gewerkschaft der Polizei, wies Vorwürfe, die Polizei sei schlecht geschult, zurück. Allerdings forderte Stahn erneut, endlich Polizeipsychologen einzustellen, die den Beamten bei der Streß- und Konfliktbewältigung ihres Jobs zur Seite stehen.