Behindertenverbot?

■ Hexig und stolz: das „Ramba Zamba Theater“ mit „Medea“ bei der Hammoniale

Ein greller Scheinwerfer wandert die Bühne auf und ab. Aus den Boxen tönt es wie aus einer Lagerhalle: Unter Tropfgeräusche mischt sich der beißende, schabende Ton aufeinanderreibender Metallstäbe. Laster fahren ins Ungewisse, hier und dort echot es. Dazu erschallt ein weiblicher Klagelaut.

Plötzlich tritt Grabesstille ein. Abendstimmung. Hinter der Stadtmauer auf der Bühne sieht man Licht durch die Jalousien in die Wohnungen fallen. Verlockendes, verheißungsvolles Licht. Doch die Stadt ist für diejenigen, um die es hier geht, hermetisch abgeriegelt, unerreichbar.

In Medea – ein tödlicher Wettbewerb vom Berliner Ramba Zamba Theater darf jede mitspielende Frau ihre Fassung des Medea-Schicksals zeigen. Wie in jedem Mann ein schürzenjagender Jason steckt, trägt jedes weibliche Wesen seine Medea in sich. Ramba Zamba ist aber keine gewöhnliche Theatertruppe, und so erhält die stigmatisierte Figur der Medea eine zusätzliche Bedeutung: als Teil des Projekts der Sonnenuhr, einer Kunstwerkstatt für integrative kreative Arbeit mit Behinderten und Nicht-Behinderten. Auf Kampnagel waren sie bei der Hammoniale zu Gast, aber die Stadt Korinth im Stück, „die alte Pestbeule“, ist unerbittlich und gewährt Außenseiterinnen keinen Einlaß. Bis das endgültig feststeht, probt das Ensemble wie fahrendes Volk vor den Toren der Stadt. Der dramatische Stoff gerät dabei zur Metapher persönlicher Lebenssituationen.

So bekommt die Kindsmörderin Medea neue Gesichter. Mal ist sie königlich hexenmäßig, mal suhlt sie sich genußvoll in Erde und erklärt reinlichkeitsfanatischen Jasons: „Nein, ich mache nicht sauber“. Die ungewöhnlichen Medeen verzweifeln aber auch – aus rasender Eifersucht auf ein Überweib, das jeden Mann, auch jeden Jason, in die Stadt lockt. Und dann braucht es schon mehr, als mit ein paar Blumen bei Medea um Verzeihung zu betteln. Korinth aber bleibt hart: Auftrittsverbot. Eine Medea und ein Jason bleiben übrig, während die anderen abziehen. Und spielen – ein stinknormales Ehepaar. Wunderbares Theater.

Liv Heidbüchel