CDU predigt Sozialhilfemißbrauch

■ Neuer CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff macht Sparvorschläge für die Sozialhilfe

Die Reaktion folgte prompt: Nach jüngsten Presse-Meldungen über bundesweit höchste Sozialhilfekosten in Bremen forderte gestern der neue CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff: „Die Sozialhilfeausgaben müssen runter“. Arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger müßten grundsätzlich zu gemeinnützigen Arbeiten herangezogen, Sozialhilfemißbrauch bekämpft und einmalige Leistungen gesenkt werden, so der CDU-Mann. „Hier hat die künftige SPD-Sozialsenatorin Hilde Adolf die Möglichkeit, gleich tatkräftig zuzupacken.“

Eckhoff bestätigte damit gestern entsprechende Befürchtungen in der Stadt. Die Statistik sei „unseriös“ und würde nur zu Spardiskussionen einladen, schlug Thomas Beninde vom Paritätischen Landesverband Bremen Alarm. Das Statistische Bundesamt hatte vermeldet, daß Bremen im Jahr 1998 pro Einwohner 1.143 Mark Sozialhilfe ausgab, im Bundesdurchschnitt waren es dagegen nur 484. Die Bremer Ausgaben seien also mehr als doppelt so hoch, schlußfolgerte Eckhoff und forderte „Ausgaben senken“ ein.

Dabei kann laut Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel „von Verschwendung“ gar keine Rede sein. Schließlich hätte die Statistik die Sozialhilfe-Ausgaben pro Kopf auf die Einwohner heruntergerechnet – und dabei einwohnermäßig nicht zu vergleichende Stadtstaaten mit Flächenländern verglichen. Hätte man zu Bremens Einwohnern auch die über 100.000 Umland-Pendler gezählt, wäre Bremen schlicht im Mittelfeld gelandet. Dasselbe gelte für Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg, die deshalb bei ebenso hohen pro Kopf-Belastungen von 1.040 und 960 Mark landeten.

Spar-Schlußfolgerungen seien deshalb „Quatsch“, sagt Hickel. Schuld am hohen Bremer Platz sei die hohe Arbeitslosigkeit. CDUler Eckhoff solle sich „besser um Arbeitsplätze kümmern, statt Opfer zu Tätern zu machen“. Doch der setzte lieber aufs Sparen für Bremen – und verteufelte gleichzeitig das Bonner Sparpaket, weil es Bremen wegen zusätzlicher Sozialausgaben in Millionenhöhe belaste: Der Bund sollte sich besser an den Sozialausgaben der Länder beteiligen, lautete dazu Eckhoffs Kommentar. Aber auch Bremen müsse seine „Hausaufgaben“ machen – und z.B. Außenermittler einführen, die Anträge vom Kühlschrank bis zum Toaster per Hausbesuch überprüfen, sowie Leistungen an andere Städte angleichen.

Doch beide Punkte haben mit der eigentlichen Statistik gar nichts zu tun – sondern mit einem Städtevergleich der Ausgaben pro Fall. Dazu merkte der Rechnungshof vor Monaten an, daß Bremen zum Teil mehr Geld als andere Städte bezahle und sich zum Beispiel beim Kleidergeld nicht an untersten Werten orientiert hatte. Verglichen wurde dabei aber ebenso nicht Vergleichbares: Während Bremen Geld gibt, hatten andere Städte zum Teil Kleider- oder Kühlschrankkammern – und so niedrigere Ausgaben. Nicht eingerechnet wurden dabei aber die Kosten für's Kammer-Personal.

Trotzdem, so fürchtete Sozialstaatsrat Hans-Christoph Hoppensack gestern im taz-Interview, könnte die große Koalition Pauschalen senken – weil CDU und SPD schließlich für die Sozialausgaben gerade ein Nullwachstum vereinbart haben. „Da wird man uns drücken“, sagte der Staatsrat voraus – und prophezeite auch die jetzt geforderte Zwangsarbeit. kat