„Zukunftsfähiges Berlin“: Global denken, lokal reden

■ Enquetekommission legt Vorschläge für nachhaltige Entwicklung vor: „Bürger sollen selbst entscheiden, wie sie leben wollen.“ Verbindlich ist das Dokument aber nicht

Die Enquetekommission „Zukunftsfähiges Berlin“ hat nach 14 Monaten Arbeit ihren Abschlußbericht vorgelegt. Auf 538 Seiten haben Abgeordnete aller Parteien und externe Sachverständige darin Vorschläge für das Berlin des 21. Jahrhunderts unterbreitet. Entwicklung soll sich künftig an den Kernbegriffen ökologische Tragfähigkeit, ökonomische Leistungsfähigkeit und soziale Gerechtigkeit messen lassen.

Der stellvertretende Vorsitzende der Kommission, Jochen Querengässer (PDS), appellierte an den Senat und das Abgeordnetenhaus, zu Beginn der nächsten Legislaturperiode den Startschuß für die Ausformulierung eines lokalen Agenda-21-Programms für Berlin zu geben. Während in Städten wie Bremen, München oder Leipzig bereits konkrete Fortschritte erzielt worden sind, wird in Berlin bisher noch nicht einmal ein Entwurf diskutiert. Lediglich auf Bezirksebene sind Aktionen wie das „jährliche Anti-Müll-Fest“ in Hellersdorf bereits angelaufen.

Der Bericht orientiert sich an dem 1992 in Rio de Janeiro verabschiedeten „Handlungsprogramm für das 21. Jahrhundert“, das unter dem Stichwort „Agenda 21“ bekannt geworden ist und ein ökologisches und sozial verträgliches Wirtschaften vorsieht. Darin wird auf die Verantwortung lokaler Entscheidungsträger hingewiesen.

In der Innenstadt sollen nach dem Willen der Kommission zukünftig 80 Prozent aller Fahrten mit dem öffentlichen Nahverkehr unternommen werden. Eine Nutzungsgebühr für Straßen stehe allerdings nicht zur Diskussion, so der Kommissionsvorsitzende Peter Meyer (SPD). „Neue Formen der Bürgerbeteiligung“ müßten sicherstellen, daß „substantiierte Überlegungen und Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger von den Entscheidungsträgern ernst genommen“ würden. „Die Bürgerinnen und Bürger können und sollen selbst bestimmen, wie sie in Zukunft leben und wirtschaften wollen.“ Außerdem soll der Absatz regionaler Produkte forciert werden. Bei der öffentlichen Finanzierung großer Projekte müsse stärker als bisher auf nachhaltige Konzepte geachtet werden.

Pia Paust-Lassen, Vertreterin der Grünen in der Enquetekommission, sprach von einem wesentlichen Schritt für die Erstellung einer Agenda 21 auf landespolitischer Ebene. Uwe Goetze (CDU) verwies demgegenüber darauf, daß „sämtliche Widersprüche verwischt“ worden seien. Der Bericht könne die politische Kontroverse nicht ersetzen, da es sich nicht um ein Parteiengremium handle. Die Fraktion der CDU warnte vor einem „Gegenregierungskonzept“. Die „von manchen gewünschte Planung eines neuen Gesellschaftsmodells“ treffe „sicherlich in einem repräsentativen Teil der Bevölkerung auf keinerlei Bereitschaft zur Mitwirkung“.

In wichtigen Bereichen ist die Kommission nach Angaben von Paust-Lassen ohnehin zu keinem Ergebnis gekommen. So gebe es – trotz der durch den Vorsitzenden Meyer betitelten Erwerbslosigkeit von bis zu 30 Prozent in einigen Stadtteilen – keine Handlungsempfehlung zur Sozialpolitik. In der Frage der Migration konnte man sich nicht einmal zu einer gemeinsamen Bestandsaufnahme durchringen. Paust-Lassen: „Der Senat hat das Gegenteil von nachhaltiger Entwicklung betrieben.“ Andreas Spannbauer