Kommentar
: Riskante Strategie

■ SPD auf Kamikazekurs

Die Berliner SPD schlägt im Wahlkampf einen riskanten Weg ein: Sie will das Spar- und Reformpaket der Bundesregierung bis zur Abgeordnetenhauswahl im Herbst offensiv vertreten. Ignorieren können die Genossen das große Sommerthema natürlich nicht: Die Rentenreform und das milliardenschwere Sparpaket des Bundesfinanzministers werden das beherrschende Thema der nächsten Monate sein. Just im September wird der Bundestag über die einschneidenden Kürzungen des Haushalts 2000 debattieren – also genau in der „heißen Wahlkampfphase“. Obendrein werden die Bundestagsdebatten in Berlin stattfinden. Das Thema liegt sozusagen vor der Haustür.

Das klingt nach weiterem Gegenwind für die ohnehin schon gebeutelten Sozialdemokraten. Was bleibt also, als die Flucht nach vorne anzutreten. Doch an der Aufgabe, vor der die SPD steht, dürften auch ausgebuffte Kommunikationsstrategen verzweifeln: wie soll man in einem Wahlkampf, der leicht verständlicher Botschaften bedarf, eine so komplexe Materie wie die Rentenreform oder den notwendigen Umbau der Sozialsysteme verkaufen. Diese Themen lösen vor allem Verunsicherung aus. Ängste lassen sich damit leicht schüren. Den Sinn und die Notwendigkeit von Reformen zu erklären, ist ungleich schwieriger. Der waghalsige SPD-Plan könnte leicht zur Kamikazeaktion werden. Es scheint, als wolle die SPD den Wahlkampf völlig neu erfinden: nicht als Kampf um Wählerstimmen, sondern als Kampf gegen die Wählerinnen. Oberstes Ziel: die maximale Abschreckung der eigenen Wähler.

Rentenreform und Sparpaket sind auch kaum geeignet, die von rapide sinkenden Umfragewerten frustrierte SPD-Basis für den Wahlkampf zu mobilisieren.

Für die CDU ist die SPD-Strategie hingegen ein Geschenk: Die Union kann sich weiterhin als die sozialdemokratischere der beiden Volksparteien positionieren und hoffen, daß möglichst viele auf diese Mogelpackung hereinfallen. Auf den dreisten Populismus der CDU hat die SPD bislang recht hilflos reagiert. Mit Argumenten ist dagegen auch schwer anzukommen. Dieses Problem der SPD dürfte sich nun noch verschärfen. Dorothee Winden