„Geheimes ist nicht wirklich zu kontrollieren“

■ Christian Ströbele ist nach wie vor für die Abschaffung der Geheimdienste, sieht aber doch Chancen für das Parlamentarische Kontrollgremium, dessen Rechte jetzt erweitert wurden

taz: Sie sind am Mittwoch im zweiten Anlauf in das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKG) gewählt worden. Konnten Sie die Kritiker Ihrer Kandidatur in den eigenen Reihen besänftigen?

Christian Ströbele:Wir hatten eine Fraktionssitzung, auf der alle versicherten, mit Ja stimmen zu wollen. Rezzo Schlauch ging durch die Reihen, um sich zu vergewissern. Ich glaube, die Enthaltungen und ungültigen Stimmen gehen auf das Konto der SPD.

Warum?

Ich hatte mich bis zuletzt entschieden dafür eingesetzt, daß auch die PDS im Kontrollgremium einen Sitz hat. Als dann ein entsprechender Antrag der PDS abgelehnt wurde, habe ich mich der Stimme enthalten. Das ganze Manöver schien mir undemokratisch, kontraproduktiv und nur geeignet, der PDS zu neuem Anhang zu verhelfen. Das hat offenbar einigen SPDlern nicht gefallen.

Was versprechen Sie sich eigentlich von der Mitarbeit in diesem Gremium? Sind Geheimdienste wie der BND oder der MAD wirklich kontrollierbar?

Meine Position ist seit langem klar: Geheimes ist nicht wirklich zu kontrollieren. Deshalb Abschaffung der Dienste.

Steht nicht im Koalitionsvertrag.

Stimmt. Aber das Kontrollgesetz, an dessen jetziger Gestalt ich mitgearbeitet habe, bietet einige effektive Möglichkeiten der Aufsicht. Wir können Akten einsehen, Beamte der Dienste zu ausgewählten Komplexen vor das Gremium zitieren, Sachverständige hören. 1985/87 war ich Mitglied des Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Tiedtke-Affäre [der Verfassungsschützer Tiedke war in die DDR übergewechselt; Anm. d. Red.]. Damals kamen ein paar Praktiken, wie zum Beispiel die Überwachung von Funktionsträgern der Grünen, ans Tageslicht. Das war eine nützliche Arbeit.

Werden Sie auf die Arbeitsweise der Dienste, auf die Schwerpunkte der Agententätigkeit Einfluß nehmen können?

Ich gaube ja. Dem Kontrollgremium muß ein umfassender Finanzplan vorgelegt werden, aus dem sich Umfang und Struktur der geheimdienstlichen Arbeit ablesen lassen. Immerhin hat sich deren Etat vervielfacht – und das trotz des Zusamenbruchs der realsozialistischen Regime. Aber bitte, vor den Diesten steht das Wörtchen „Geheim“. Das setzt jedem Versuch Grenzen, Licht ins Dunkel zu bringen.

Gleicht die Mitgliedschaft in diesem Gremium nicht einer freiwilligen Selbstfesselung?

Natürlich sind die Beratungen geheim, und die Verletzung der Geheimhaltungspflicht kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Aber die Arbeit im Gremium braucht kein parlamentarisches Feigenblatt zu sein. Und es gibt die Ebene der öffentlichen politischen Auseinandersetzung über den Nutzen der Dienste und ihre möglichen Aufgabenstellungen.

Es klingt paradox, aber glauben Sie, man kann die Dienste zu mehr Transparenz zwingen?

Was den BND anlangt, so hat dessen letzter Chef Geiger ein paar Schritte in die richtige Richtung getan. Tun wir, wozu wir gewählt worden sind, versuchen wir zu kontrollieren, und dann sehen wir mal.

Wie wurden Sie als neues Mitglied des Kontrollgremiums empfangen?

Geschäftsmäßig.

Interview: C.S.