Bombastische Rache

Hintergrund des Merseburger Sprengstoffanschlags auf die Kneipe „Desperado“ ist offenbar ein Bandenkrieg im Rotlichtmillieu. Erste Verhaftung  ■   Aus Merseburg Nick Reimer

Der Bombenanschlag auf die Kneipe „Desperado“, bei dem am Sonntag 20 Menschen teils schwer verletzt wurden, steht vor der Aufklärung. Die Staatsanwaltschaft Halle stellte gestern einen Haftbefehl gegen den 31jährigen Herbert T. aus, der in Leuna ein Bordell betreibt. Das Tatmotiv sei Rache, erklärte der Chef der Staatsanwaltschaft Halle, Dieter Schmiedl-Neuburg. T. sei der mutmaßliche Rädelsführer und werde der Herbeiführung eines Sprengstoffanschlages sowie des versuchten Mordes beschuldigt.

Bereits kurz nach dem Anschlag war der Bordellbetreiber vernommen worden. Die Verdachtsmomente gegen ihn hätten aber zunächst nicht für eine Festnahme ausgereicht, so Schmiedl-Neuburg. T. hatte sich daraufhin nach Polen abgesetzt. Bei der Durchsuchung seiner Garage stellte die Polizei ein umfangreiches Waffen- und Munitionsarsenal sicher. Am Mittwoch war er im Haus seiner Freundin im polnischen Zgorzelec bei Görlitz festgenommen und in ein Gefängnis nach Breslau überführt worden. Die Staatsanwaltschaft Halle stellte inzwischen ein Auslieferungsgesuch. Gegenüber der taz bezeichnete die ermittelnde Sonderkommission T.s Verhaftung als den „entscheidenden Schritt“ zur Aufklärung. Gegen weitere Personen wird ermittelt.

Anfang Juni war T.s Etablissement überfallen und verwüstet worden. Der Bordellbetreiber verzichtete damals allerdings darauf, Anzeige zu erstatten. Eine Woche später wurde der Bikertreff der Motorradgang „Vampires“, deren Chef T. sein soll, angegriffen und demoliert. Mehrere Biker sind dabei mit Baseballschlägern schwer verletzt worden. Diesmal erstattete die Gang zwar Anzeige, zeigte sich der Polizei gegenüber aber wenig kooperativ. Sie würden das schon selbst regeln, sagten sie damals den Beamten.

Hinter den Rivalitäten steht der Kampf um Einfluß und Revier im Rotlichtmilieu zwischen Leipzig und Halle. Harald H., einer der bei dem „Desperado“-Attentat verletzten Gäste, die noch im Krankenhaus liegen, hat mittlerweile gestanden, am Überfall auf den Bikertreff beteiligt gewesen zu sein. Dessen Clique betreibt ein Bordell in Braunsbedra, die Biker zählen zum Umfeld des Leunaer Bordells.

Unklar ist, ob T. die Bombe selbst gelegt hat. Aufschluß darüber erhofft sich die Polizei nun von Matthias K., dem Wirt des „Desperado“. K. soll Harald H. gewarnt haben, auf die Feier zu gehen. Er selbst hatte seine Kneipe lange, bevor die Bombe detonierte, verlassen. Und: K. ist Mitglied der „Vampires“. Seit dem Attentat ist er untergetaucht.