Brüssel beurlaubt Bangemann

Der EU-Kommissar für Industrie und Telekommunikation wartet die Ablösung der Kommission nicht ab und arbeitet ab sofort für die spanische Telefónica  ■   Von Beate Willms

Berlin (taz) – „Beurlaubt? Wovon denn?“ wollte ein Brüsseler Journalist wissen, als am Donnerstag mittag bekannt wurde, daß Kommissionspräsident Jaques Santer den deutschen Industrie-Kommissar Martin Bangemann ab sofort in unbezahlte Ferien geschickt hatte. Ersetzt werde er durch Wettbewerbskommissar Karel van Miert. Die Frage konnte so oder so verstanden werden: Einerseits war Bangemann doch schon vor vier Monaten nach Korruptionsvorwürfen zusammen mit den anderen Kommissaren zurückgetreten und seitdem nur noch übergangsweise im Amt. Andererseits gilt der ehemalige Bundeswirtschaftsminister und FDP-Vorsitzende nicht als der Arbeitsamste – was allerdings nicht immer stimmte: Zumindest wenn es um gemeinsame Umweltstandards ging, hatte er sich stets als äußerst fleißiger Verhinderer erwiesen.

Leichter zu beantworten war die Frage nach dem Warum der Amtsenthebung: Am Mittwoch hatte Bangemann Santer und seine Kollegen darüber informiert, daß er „umgehend“ – also noch vor dem offiziellen Ablösetermin der Kommission im September – einen neuen Job antreten wolle.

Dabei war vor allem die Wahl des neuen Arbeitgebers auf Befremden gestoßen: Der für Industriebelange und seit 1994 auch für Telekommunikation zuständige Kommissar geht ausgerechnet zur Telefónica, dem spanischen Gegenstück zur deutschen Telekom, einem der Global Player in der Branche. Dort soll er zunächst nur als „externer Berater“ tätig sein. Auf der nächsten Vorstandssitzung am 21. Juli will Telefónica-Präsident Juan Villalonga ihn dann für den Vorstand vorschlagen.

Erfreut sei man nicht, hieß es denn auch in Brüssel. Die Verhandlungen müßten doch schon länger gelaufen sein – zu einer Zeit also, als Bangemann noch beispielsweise für die Verteilung von Geldern für Telekommunikationsprojekte verantwortlich gewesen sei. „Das paßt ja prima zum gegenwärtigen Image der Kommission“, sagte ein deutscher Mitarbeiter, der ungenannt bleiben wollte.

Bangemann selbst dürfte dieser Beigeschmack nicht so viel ausmachen. Er ist ihn gewohnt: Schließlich ist er in den zehn Jahren als Kommissar oft genug mit undurchsichtigen Machenschaften aufgefallen, ohne daß es ihm geschadet hätte. So hatte die Bremer Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Vulkan-Skandal und der Europäische Gerichtshof wegen verdächtiger Abrechnungen gegen ihn ermittelt. Und daß er als womöglich wichtigstes Erbe eine „Lex Bangemann“ hinterläßt, nach der es EU-Kommissaren verboten ist, Honorare entgegenzunehmen, spricht für sich.