Lebensfreude ist politisch

■ Meister Propper will eine Wahlwiederholung: Sein „ Verein 99 für Lebensfreude und Dada“ hätte mindestens das AfB-Ergebnis von 1995 erreicht, rechnet der Aktivist vor

Günther Kahrs alias Meister Propper ist entschlossen: Mindestens im Viertel will er Neuwahlen durchsetzen. Denn daß sein „Verein 99 für Lebensfreude und Dada“ („V99“) bei der Bürgerschafts- und Beiratswahl vom Landeswahlleiter nicht zugelassen wurde, das findet er ungerecht. „Einspruch gegen eine Wahl einzulegen, das ist richtig schwierig“, erzählt er von seinen Behördengängen.

Das geht nämlich erst, wenn im Amtsblatt das amtliche Wahlergebnis veröffentlicht ist. Propper wird derzeit noch vertröstet. Sobald die neue Bürgerschaft zusammengetreten ist, will er aber, daß der Wahlprüfungsausschuß des Parlaments entscheidet, daß nochmal gewählt werden muß. Dieser Provokateur.

„Wir sind eindeutig politisch“, begründet Propper, warum die Nichtzulassung in seinen Augen unfair war. Überhaupt mische er längst in der Viertelpolitik mit: Das mit den öffentlichen Klos für Junkies: seine Idee. Das mit den Protesten der Wirte gegen frühe Sperrstunden auf den Gehwegen: seine Idee. Das mit den Sielwallfeiern in der Neujahrsnacht: seine Idee. Wenn das nicht politisch ist.

Auch auf die Demokratie achten der Meister und seine MitstreiterInnen: Am Wahltag haben sie vor diversen Wahllokalen ihre eigenen Stimmzettel ausgeteilt – „damit die Parteien mehr Stimmen bekommen“. Daß als Folge mehrere Wahlbriefumschläge mit zwei Zetteln aus den Urnen fielen, ist jetzt ein Argument für die Wahlanfechtung: Die Doppelbriefe seien nicht durchgängig ungültig gewertet worden, weiß Meister Propper.

Um noch mehr für die Demokratie zu tun, ließ der Verein am 6. Juni auch im Vereinsheim in der Weberstraße und im solidarischen Gastronomiebetrieb „Oblomov“ in der Feldstraße wählen. Bei „mehreren hundert abgegebenen Stimmen“ kam der V99 dabei auf saloppe 92,8 Prozent der Stimmen, verkündete der Aktivist. Die anderen Parteien scheiterten allesamt an der zwei-Prozent-Hürde. Auch im Internet hätten an dem Tag „fast 1.000 Leute“ Meister Propper gewählt.

Der Schluß: Wäre der V99 zur Wahl zugelassen worden, hätte die geringe Wahlbeteiligung gemildert werden können; im Viertel-Beirat wäre man über 20 Prozent gekommen; und im Land hätte man sicher annähernd das AfB-Ergebnis von 1995 erreicht. Ergo: Es muß neu gewählt werden. Jetzt hofft der Meister auf den kleinen Putsch.

Bei einer etablierten Partei war Meister Propper auch schon mal: Zwischen 1985 und 1988 war er Landesvorstandssprecher der Grünen. Irgendwie gehörte er zu der Fundi-Ecke, aber vielleicht doch eher zu den Spontis – auf jeden Fall machte er sich bei den Bremer Grünen schnell unbeliebt. Zum Schluß, da war er noch Sprecher, hatte er sogar Hausverbot im Grünen-Büro.

Der taz-Bremen hat Meister Propper auch schon die Tour vermasselt. Zu Gründungszeiten schrieb er zwei Monate lang die Kolumne „Unverbremt“, abends machte er den Handverkauf in Kneipen. Seine Kolumne plus eine Karikatur des alt-und-immer-noch-tazzlers Til Mette zerriß frühzeitig und bis heute anhaltend das Band zwischen einem gewissen Henning Scherf und der kleinen Zeitung: Gerade im Begriff, den linken Zeitungsmachern einen Tausi zu spenden, wurde das Ehepaar Scherf jäh Opfer des Kolumnisten und des Karikaturisten. Vorwurf: Filzige Mauscheleien im Ehebett. Der Tausi kam nie an.

Christoph Dowe