Momper war schlecht beraten

■  Der SPD-Spitzenkandidat folgte dem Ratschlag, auf die Präsentation des Wahlprogrammes zu verzichten. Vom heutigen SPD-Parteitag soll mit Kanzlers Hilfe dennoch ein Aufbruchsignal ausgehen

Als „unfaßbar“ und „unprofessionell“ wurde in SPD-Kreisen das Fernbleiben Walter Mompers bei einer Pressekonferenz am Donnerstag bezeichnet. Anstatt das Wahlprogramm der SPD vorzustellen, das die Partei heute beschließen will, hatte Momper einen wichtigen geschäftlichen Termin wahrgenommen.

An dem SPD-Pressetermin hatte Momper ursprünglich gar nicht teilnehmen wollen. Dann war er jedoch wegen mangelnder Abstimmung in der Presseeinladung angekündigt worden. Bei einer Schaltkonferenz am Donnerstag morgen hatte ein Berater Momper von der Teilnahme an der Pressekonferenz abgeraten. Momper folgte diesem Rat. Das fatale politische Signal, das von dieser Entscheidung ausging, scheint in der Schaltkonferenz niemand erkannt zu haben. Daß der Spitzenkandidat einem beruflichen Termin den Vorzug gibt, wirkte, als habe Momper die Wahl schon abgeschrieben. Daß sich Momper von einem solchen Ratschlag leiten ließ, offenbart aber auch den Grad seiner Verunsicherung. Denn bei kühler Abwägung hätte er den Rat in den Wind schlagen müssen.

Die Panne ist allerdings nicht die einzige Belastung, mit der der Spitzenkandidat vor den heutigen Parteitag im ICC tritt. Auch die neuen Umfragen, die heute veröffentlicht werden, sind dem Vernehmen nach alles andere als ermutigend für die SPD. Um so mehr muß von dem Parteitag ein Signal des Aufbruchs und der Geschlossenheit ausgehen. „Die Partei wird zeigen, daß wir uns von dem Gegenwind nicht unterkriegen lassen“, erklärte SPD-Parteichef Strieder. „Wir werden uns von den Umfragen nicht schocken lassen“, sagte der SPD-Vizevorsitzende Klaus-Uwe Benneter. „Diesen psychologischen Krieg müssen wir aushalten. Das soll uns ja auf den Magen schlagen.“ Er wolle die Genossen dazu aufrufen, „nicht länger in der Loge sitzen zu bleiben und zuzuschauen“. Rükkenwind erhofft die Berliner SPD auch vom Auftritt des Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Am Morgen werden die 320 Delegierten aber zunächst von Gewerkschaftern empfangen werden, die für die Einhaltung des Ladenschlusses demonstrieren. HBV-Chef Manfred Birkhahn forderte gestern, „die selbstmörderische Distanzierung der SPD zu sich selbst“ müsse beendet werden. „Wer nur noch die neue Mitte kennt, landet zwangsläufig im politischen Bermuda-Dreieck.“ Dorothee Winden