■ Kaschmir-Krieg: Wie eine Eskalation zu verhindern ist
: Die Zeit wird knapp

Sieben Wochen nach Ausbruch der schweren Kämpfe im indischen Teil Kaschmirs ist noch nicht abzusehen, ob es den Truppen Delhis gelingt, die aus Pakistan eingedrungenen Kämpfer noch vor September zurückzudrängen, wenn in Kaschmir der erste Schnee fällt und in Indien die Regierung neu gewählt wird. Damit bleibt auch offen, ob sich eine Eskalation des Krieges noch verhindern läßt. Deutlich wurde dafür bisher zweierlei: Es liegt an Islamabad, den militärischen Konflikt zu beenden, und an Delhi, ob dieser zu einem vollen Krieg zwischen beiden Staaten eskaliert oder gar im Atomkrieg endet.

Niemand hat bisher den Pakistanern abgekauft, daß die nach Indien eingedrungenen Kämpfer dies ohne Unterstützung der pakistanischen Regierung oder Militärs getan haben. Denn die Verhältnisse im Kampfgebiet in 5.000 Meter Höhe sind zu unwirtlich, der Zugang von Pakistan aus ist zu gut zu kontrolllieren, und die Mudschaheddin sind zu gut ausgerüstet und trainiert, als daß dies ohne aktive Unterstützung der pakistanischen Armee möglich wäre. Wenn die Kämpfer also von Pakistan geschickt wurden, hat Islamabad es in der Hand, sie wieder zurückzuziehen. Delhi hat militärisch die Möglichkeit, die besetzten Gipfel entweder langwierig und mit hohen eigenen Verlusten frei zu kämpfen, was bisher versucht wurde, oder den Krieg über die Kontrollinie zu tragen und damit zu versuchen, den Eindringlingen selbst den Nachschub abzuschneiden. Und das würde zur befürchteten Eskalation führen.

Davon hat die von Hindu-Nationalisten geführte Regierung in Delhi bisher abgesehen und dafür international viel Lob erhalten. Doch je näher der Winter rückt und damit eine Verschnaufpause für die Eindringlinge, desto eher könnten Indiens Militärs und amtierende Regierung zur Eskalation neigen.

Der diplomatische Druck auf Pakistan, seine Kämpfer zurückzuziehen, wächst. Neben den USA hat auch der wichtige Verbündete China gezeigt, daß es weder Pakistans Position teilt noch Interesse an einer Eskalation hat. Benötigt wird jetzt eine das Gesicht wahrende Rückzugsmöglichkeit für Pakistans Regierung. Denn diese steht unter dem Einfluß islamistischer Kräfte, für die Kaschmir eine Glaubensfrage ist. Diplomatischer Druck allein kann hier nicht zum Erfolg führen, er müßte mit wirtschaftlichen Anreizen verbunden werden. Nur ein prosperierendes, in die internationale Gemeinschaft integriertes Pakistan kann von militärischen und islamistischen Abenteuern abgehalten werden. Sven Hansen