■ Die junggrüne Debatte ist egozentrisch und überflüssig
: Echt undogmatisch, ey

Die Republik ringt derzeit um so läppische Dinge wie die Altersversorgung künftiger Generationen, um den Marsch aus dem Schuldenstaat und den Einstieg in eine nachhaltige Finanzwirtschaft. Vom Studenten bis zur Rentnerin sollen alle dafür bluten. Der Drache Staatsverschuldung, der die Zukunft der Jugend verschlingt, soll ausgehungert werden. Mit finsterer Entschlossenheit geht Drachentöter Hans Eichel zur Sache, die Fraktionen folgen zähneknirschend.

Doch unvermutet wird es licht auf der düsteren politischen Bühne. Endlich wird ein ernsthaftes Thema inszeniert: 40 jugendliche Helden treten auf und zücken ein messerscharfes Papier. Die Journaille ist angeknipst: Titelseiten füllen sich wie von selbst, Interviews werden gegeben, die ideologischen Dachböden erzittern. Die Republik hat ein Thema gefunden: Die Selbstbespiegelung der Grünen und die Entrümpelung ihres Programms.

Die Botschaft der beschlipsten Youngsters: Weg mit dem Plunder, Schluß mit der Eitelkeit der Führungsfiguren. Die natürlich gänzlich uneitlen Protagonisten der grünen Postmoderne finden alles irgendwie out, wollen alles irgendwie anders und professioneller. Wie oder was, ist noch unklar, auf jeden Fall aber dienstleistungsmäßig.

Die Entstehung des famosen Papiers selbst liefert das Modell des neuen Politikverständnisses: Ein Bediensteter des Fraktionsvorsitzenden schrieb es gemeinsam mit dem Bediensteten eines Landesverbandes als Dienstleistung für die anderen 38 Realo-Kids, die nur noch zu unterschreiben brauchten. Eine der unterschreibenden Bundestagsabgeordneten hat dafür nach eigenem Bekunden nicht mehr als zehn Minuten gebraucht, ein anderer hat sogar unterschrieben, ohne es überhaupt gelesen zu haben. Echt undogmatisch, ey.

Zweiter Akt: Mit dankbarer Verbissenheit stürzen sich die Reste der aufrechten Linken auf das gefundene Fressen. Von Christian Ströbele bis Christian Simmert wird der finale Kampf um Lehre und Partei, um Wahrheit und Macht ausgerufen. 41 ebenso entschieden Jugendliche der Parteilinken rufen zur Gegenreformation. Nur: Wogegen sollen sie argumentieren? Die 40 jungen Liberealos hatten ja keine Inhalte geliefert, nur Attitüde. Früher hat man noch um Inhalte gestritten, heute streitet man um Haltungen.

Also bleibt den 41 Aufrechten nur die Beschwörung ranziger und altbekannter Versatzstücke: Sofortiger Atomausstieg, während Minister Trittin über 30 Jahre verhandelt, Ausbildungsabgabe, während Schröder genau diese im Koalitionsvertrag faktisch verhindert hat, Bildungsoffensive, während die Haushaltsmittel für Forschung und Bildung soeben drastisch aufgestockt wurden. So nebensächliche Dinge wie Ausstieg aus der Staatsverschuldung und Sicherung des Rentensystems sind beiden kämpfenden Kohorten keine Erwähnung wert. Die alte Schlachtordnung Realos – Linke, die spätestens seit der Regierungsbeteiligung praktisch immer bedeutungsloser wurde, feiert mit neuen, jugendlichen Rollenträgern virtuelle Auferstehung. Dabei ist gerade sie untauglich für die Alltagsarbeit einer Regierungspartei. Die alte Strömungskiste gälte es wirklich zu entrümpeln. Doch gerade die wird jetzt restauriert.

Knackig und zackig schließlich noch der Auftritt der Vierziger: Oswald Metzger gibt parallel zum Kreuzzug der 40 Programm-Räuber den Ali Baba und bringt deren verschwiemelte Kritik auf den Punkt: Das Unheil hat einen Namen. Jürgen Trittin muß weg. So sorgt Metzger mit seiner öffentlichen Rücktrittsforderung dafür, daß sich die schütter gewordenen Reihen um den Umweltminister garantiert wieder schließen. Böse Zungen sagen, Trittin habe zwei Verbündete beim Machterhalt – die Atomindustrie und Oswald Metzger. Daß bei diesem Spektakel nicht nur der Umweltminister, sondern die Umweltpolitik (und nebenbei der Atomausstieg) unter die Räder kommt, scheint die Akteure nicht zu interessieren.

Fahrt endlich in Urlaub – am besten ohne Laptop und Handy. Ali Schmidt

Der Autor ist verkehrspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion