Regierung sucht dringend eine gemeinsame Linie

■ Nächste Woche rot-grüne Atomgespräche vor Verhandlungen mit Stromindustrie

Berlin (taz/AP/rtr) – Die Zeit drängt: Noch vor der Sommerpause in wenigen Wochen will die rot-grüne Bundesregierung die Eckpunkte für den Atomausstieg klären. Doch bislang gibt es nicht einmal eine einheitliche Linie zwischen Grünen und SPD. Nachdem Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) am Mittwoch dieser Woche nicht zu einer Einigung kamen, soll am kommenden Mittwoch der nächste Versuch starten, erklärte gestern Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Zusammen mit den Fraktionsvorsitzenden von Grünen und SPD wollen Regierungschef und Minister überlegen, mit welchem Angebot man den Energiekonzernen gegenübertreten kann. Ein Termin für ein solches Treffen mit der Wirtschaft gibt es aber laut Heye noch nicht.

Strittig ist vor allem die Frage, wie lange die 19 deutschen Atomkraftwerke noch am Netz bleiben sollen. Während sich Müller und SPD-Wirtschaftpolitiker eine Gesamtlaufzeit von 35 Jahren vorstellen können, treten die Grünen und SPD-Umweltpolitiker für eine Frist von unter 30 Jahren ein. Wirtschaftsminister Müller hat erklärt, den Sicherheitsbedenken der Grünen müsse Rechnung getragen werden. Nach dem Müller-Vorschlag, für den zwar Schröder Sympathie bekundet hat, den die Stromkonzerne aber ablehnen, soll das letzte Atomkraftwerk 2025 vom Netz gehen – für die Grünen ein zu langer Zeitraum. Außerdem müßten in dieser Legislaturperiode ein oder zwei AKWs abgeschaltet werden. Das sei „der Knackpunkt“, sagte der baden-württembergische Fraktionschef der Grünen, Fritz Kuhn.

Auch der Vizechef der SPD-Fraktion und umweltpolitische Sprecher Michael Müller erklärte, beim Atomaussteig stehe Rot-Grün auf dem Prüfstand: „Wenn wir es auf dem Feld nicht hinkriegen, Erfolge aufzuweisen, dann ist auch der Kernbereich der Koalition gefährdet.“ Für den Fall längerer Verhandlungen baute Müller aber bereits vor. Die von der Regierung gesetzte einjährige Frist bis zu einer Vereinbarung mit der Industrie sei zwar wichtig, wenn sie sich aber „um ein, zwei Monate“ hinauszögere, sei das auch nicht problematisch. bpo