„Zwei Stunden Kosovo hält kein Mensch aus“

■ Feurig: Radio-Bremen-Sommergast Brebeck plaudert beim Zigarettenverkokeln über verschmorte Albaner, Eintopfgerichte, heiße Öfen auf zwei Rädern und andere beliebte Dinge

Schon ein stattlicher Typ, der Friedhelm Brebeck. Ehemals Gleisbauer, Schwimmlehrer und Boxer. Sitzt breitbeinig und braungebrannt da, den Pullover lässig über die Schultern geworfen. Raucht eine nicht näher zu identifizierende Zigarettenmarke, vermutlich „John Hartz Special“ oder „Lucky Cocker“. Wahrscheinlich kiekst er ohne regelmäßige Räucherung seiner Stimmbänder wie ein Kastrat. Das Publikum hat jedenfalls nicht so eine tolle Stimme wie dieser Südosteuropa-Korrespondent der ARD. Deshalb wird es auch mit Rauchverbot bestraft beim Auftakt der „zettBeh-Sommergäste“, dem Frühstyx-Radio von Bremen 2. Interviewt wird „der“ Brebeck von einer Dame, die sich Radio Bremen beim Hessischen Rundfunk ausgeborgt hat. Marie-Louise Cardell sieht so aus, wie ihr Name klingt. Nein, nicht wie Rudi Carrell, sondern elegant. Krieg für Kultivierte.

Da es sich um eine Livesendung handelt, muß das Publikum erst einmal so tun, als käme der Brebeck gerade herein, obwohl er doch schon seit fünf Minuten neben der Dame sitzt und Rauchwerk vernichtet. Das verstehe, wer will. Queen haben den passenden Song dazu geschrieben: Radio Gaga. Frau Cardell legt gleich richtig los und fragt die Morgenrachrichten ab: Wie war's in Prizren? Was ist mit dem Truppenaufmarsch der Serben in Montenegro? Und die ganzen Landminen? Der Brebeck beantwortet alle Fragen gelassen. Er kennt sich aus im Kosovo. Obwohl er eigentlich von den Serben zwei Jahre Einreiseverbot bekommen hat. Wegen dieser Brandstiftungsgeschichte. Der Vorwurf lautete, albanische Häuser abgefackelt zu haben, um es den Serben in die Schuhe schieben zu können. Aber Brebeck hat ein Alibi: Er saß im Hotelzimmer, während seine Kollegen gezündelt haben. Man kann ja nicht ständig auf die Rasselbande aufpassen!

(Das stimmt natürlich gar nicht. Wenn einer gezündelt hat, dann war's der Serbe!)

Und, wie sieht es nun derzeit im Kosovo aus? Gar nicht mal so gut, sagt der Brebeck. Alles sei entweder zu einem Drittel oder halb oder total kaputt, und der Liter Benzin koste drei Mark. „Aber die Leute da unten haben ja keine Ansprüche“, lacht der Brebeck. „Solange der Schornstein steht, gibt es noch ein Haus, sagt ein albanisches Sprichwort.“ – „Und das sagen die, obwohl sie zu 100 Prozent traumatisiert sind?“ hakt Frau Cardell nach. „Sicherlich gibt es Traumatisierte“ , räumt der Brebeck ein, „die waren ja in den Lagern zu besichtigen.“ Soviele Psychologen könnten gar nicht ausschwärmen, um die ganzen Leute heile zu machen. Alle volle Kanne traumatisiert. Vielleicht fallen denen deshalb auch so komische Sprichwörter ein?

Aber auch die Serben sind ganz schön seltsam. „Alle Serben, alle Südslawen sowieso, sind völlig kritikunfähig“, weiß der Brebeck. Das liegt möglicherweise an ihrer Geschichte, die er dem Publikum in einem kurzen Abriß schildert: erst Amselfeld, dann '41 die Deutschen, die „bei den Serben kräftig hingelangt haben. Die Albaner haben's gedankt.“ Die küssen heute noch die deutschen Panzer, so dankbar sind die.

Jetzt wird es rasant. Der Brebeck erzählt, daß er bald pensioniert wird und Motorrad fahren will. Auch eine nette Anekdote aus seiner Zeit als Kirmes-Boxer quetscht Frau Cardell aus ihm raus. Dann erzählt der Brebeck, daß die serbischen Jugendlichen, die in Belgrad das „Rock für rechts“-Festival veranstaltet haben, keine Marionetten Milosevics waren, sondern lediglich „ein Bekenntnis zum Serbentum“ abgegeben haben. Dann erfährt das Publikum, daß der Brebeck gerne Eintopfgerichte kocht, daß Henri Maskes Gegner alle Flaschen waren und daß Wien „eine Stadt für Weiber“ ist; „für Männer ist das nix.“ Deswegen will der Brebeck auch nach München umziehen.

Und – schwups! – geht's wieder um Krieg, verkohlte Leichen und Blutrache. Dann wird die Wohnungseinrichtung besprochen. Dann wieder ein paar Gruselgeschichten vom Balkan. Dann hört man belustig, daß der Brebeck ab und zu mit seiner Frau zum Ochsenkarrenrennen oder zum Saureiten geht. Ein bunter Mix! „Die persönlichen Einsprengsel gehören zum Konzept der Reihe“, erklärt mir die Frau mit dem eleganten Namen später. „Zwei Stunden Kosovo, das hält doch kein Mensch aus.“ Tim Ingold

Nächster Sommergast in der Schauburg: der nuschelnde Gerd Ruge (10. Juli, 9-12h)