Die Utopie tanzt nicht mehr

Ernüchterungszelle für alte Technoträume: Fünf Berliner Underground-Künstler zeigen ihre Arbeiten aus den Zeiten, als die große Party noch nicht von Kommerz und Diepgen bestimmt wurde  ■   Von Andreas Hartmann

Wenn in ein paar Tagen bei der Love-Parade Eberhard Diepgen in bierseliger Oktoberfeststimmung als Oberraver auf dem Junge Union-Wagen rumzappelt, wird der Mythos Techno in seiner denkbar profansten Art zu sich selbst kommen. Die Gemeinschaft, die sich durch bestimmte Rituale, durch Tanzen und Drogenkonsum definiert, all das, wofür die Jugendkultur Techno steht, wird im Exzeß des Spektakels Love-Parade entzaubert. Diese Magie, der Spirit, ist aus der Bewegung längst entwichen und bloß noch gelegentlich in den vielen neu entstandenen Sub-Szenen zu finden, die sich in ihrer Abgrenzung zur Massenbewegung, wieder als verschworene Gemeinschaften verstehen.

Techno gibt es scheinbar seit ewigen Zeiten, vielleicht schon 2000 Jahre lang. Die neue Generation von Ravern hat die Bindung zu den Wurzeln von Techno verloren – früher war alles besser, es wird nie mehr so sein, wie es mal war: Die Ausstellung „Kommunion“ ist wie eine Ernüchterungszelle für Techno-Utopisten konzipiert. Fünf Künstler, die meisten fest verwachsen mit der Berliner Underground-Technoszene nach dem Mauerfall, stellen Arbeiten aus, die die Sehnsucht nach besseren Zeiten spürbar machen. Früher, als man illegale Partys in besetzten Häusern feierte, als die DJs noch keine vierstelligen Beträge für ein paar Stunden Auflegen bekamen, da konnte man noch an etwas glauben.

Georg Dienz' Acrylbilder zeigen Porträts von Party-Menschen und DJs. Die meisten Gesichter darauf sind emotionslos, ernüchtert, der DJ nicht als Anheizer, sondern als konzentrierter Arbeiter. Die Gesichter drücken ein Zweifeln aus, Mißtrauen. Den letzten Überlebenden des Underground fällt es schwer, in hemmungslose Ekstase auszubrechen, sie scheinen den Kampf gegen die Love-Parade aufgegeben zu haben und bei der Suche nach neuen Refugien müde geworden zu sein.

Dirk Plamböcks Fotos von Tanzenden, die er beim „Electric Ballroom“ gefunden hat, einem wöchentlichen Party-Event, dem nachgesagt wird, einer der letzten Versuche zu sein, so etwas wie die Authentizität der Post-Mauerfall-Aufbruchsstimmung von Techno konserviert zu haben, sind deutlich sichtbar das Ergebnis von Euphorie im Stroboskobgewitter. Doch die Körper sind im Verschwinden begriffen, Nebel und Lichteffekte verdecken sie. Die rituelle Gemeinschaft tritt in den Vordergrund, der einzelne verschwindet. Das Sinnstiftende von Techno wird herausgearbeitet, die Essenz: Musik und Tanz sind wichtiger als einzelne Techno-Poser.

Die Fotos von Ingo Kniest, die zumeist Techno-Initiierte zeigen, die durch bestimmte Codes wie Piercings, Tatoos, abgekaute rotlackierte Fingernägel, freie Oberkörper, ihr Dazugehören demonstrieren, interessieren sich für den Moment danach, davor und dazwischen. Von allen Arbeiten dieser Ausstellung machen diese Bilder noch am ehesten den Eindruck, nicht verzweifelt gegen irgend etwas anrennen oder Ernüchterung konstatieren zu müssen. Wie genau die Party aussieht, die sie besuchen, erfährt man nicht, doch man kann sich denken, daß es sich eher um einen Underground-Event handelt, als um eine Hipness-Veranstaltung.

Das prinzipiell Absurde, Techno zu visualisieren und aus dem Club in die Galerie zu holen, das sich durch die gesamte Ausstellung zieht, demonstrieren die multimedialen Installationen der Clubkünstler Vanish und Viscon am deutlichsten. So sind die Bildschnipsel der Videos von Vanish, ihrer Funktionalität im Club entrissen, total wirkungslos. Vielleicht liegt gerade im Scheitern dieser Installationen im Kontext Galerie gerade das Moment, um das es der Ausstellung im ganzen geht.

Hier in der Galerie läuft keine coole Musik, hier ist nicht der Club mit seinen Versprechnungen der Nacht, hier ist der Spirit nicht zu finden. Das tollste Kunstwerk ist immer noch eine gelungene Party. Und für die muß man sich wieder auf die Suche begeben. „Kommunion – 2000 Jahre Techno“. Chausseestraße 131, noch bis zum 2. Juli