Minimodellprojekt für Zuwanderer

■  Neuankömmlinge aus der Türkei sollen nach niederländischem Vorbild Integrationskurse besuchen. Türkischer Bund fordert Ausweitung auf ganz Berlin

Für zugewanderte TürkInnen soll es im September erstmalig einen Integrationskurs nach niederländischem Vorbild geben. Veranstalter ist das Bildungswerk des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg (TBB). Zwei Wochen lang sollen aus der Türkei übergesiedelte EhegattInnen Sprachunterricht bekommen und ihnen die Basisdaten des Staats- und Verwaltungsaufbaus, des Bildungswesen und des Berufslebens vermittelt werden.

„Wir fordern schon seit langem eine Neukonzeption der Integrationspolitik“, sagt TBB-Sprecherin Eren Ünsal. Dazu gehöre insbesondere die Eingliederung von Neuankömmlingen. Nach Angaben des Geschäftsführer des TBB, Kenan Kolat, wandern jährlich 2.000 bis 3.000 übergesiedelte Ehegatten aus der Türkei nach Berlin aus, die in der Regel kaum Deutsch sprechen können.

In den Niederlanden sind über 16jährige AusländerInnen, die einen gefestigten Aufenthaltstatus haben und nicht EU-Bürger oder Doppelstaatler sind, per Gesetz verpflichtet, Integrationskurse zu besuchen. Flüchtlinge im Asylverfahren, auch wenn sie schon lange in den Niederlanden sind, sind also ausgeschlossen.

Wenn die Teilnehmer sich verweigern, drohen ihnen für einige Monate Geldstrafen oder die Kürzung der Sozialhilfe um maximal 20 Prozent. Rund 25.000 Menschen besuchen jährlich diese Programme, die rund 600 Stunden dauern. Jeder Kurs kostet 12.000 Mark und wird von der niederländischen Regierung bezahlt.

Würde so ein Modell in Deutschland eingeführt, sollte es nach Ansicht von TBB-Sprecherin Ünsal aber nicht verpflichtend sein, sondern freiwilligen Charakter haben. Die Teilnehmer sollten „belohnt“ werden, so Ünsal, indem sie schneller als andere Zuwanderer eine Arbeitserlaubnis oder eine besseren Aufenthaltstatus erhalten.

Mit seinem „Mini-Modell-Projekt“ möchte der TBB mögliche Kurse auf ihre Schwächen und Stärken testen. Die Integrationskurse würden von der holländischen Bevölkerung weitgehend akzeptiert, sagt Kim van der Zouw, Projektleiterin bei FORUM, die die Programme in den Niederlanden koordiniert. An den hohen Kosten gebe es keine öffentliche Kritik. „Präventive Politik kostet Geld“, sagt sie.

Van der Zouw betont, daß es sich hier nicht um eine „Wohltätigkeit“ des Staates handele, sondern von den Zugewanderten auch Leistungen erwartet würden. „Es ist eine gegenseitige Verpflichtung.“

Die Leiterin bemängelt, daß die Zugewanderten trotz des intensiven Sprachunterrichts von rund 500 Stunden zu zwei Dritteln im Sprachunterricht nur das „Nivau zwei“ erreichten. Die höchste Stufe ist Nivau fünf.

Inwieweit das TBB-Modellprojekt auch in Berlin eine Zukunft hat, ist bisher völlig unklar. Die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) begrüßt zwar diese „Eigenintiative der Zuwanderer“, doch finanzielle Unterstützung gibt es keine. Der TBB möchte sich deshalb in den nächsten Wochen mit den Parteien und dem Senat in Kontakt treten, um Unterstützung zu werben. Julia Naumann