Der MDR hat sich totgedudelt

Die öffentlich-rechtliche Boulevardwelle MDR life sollte die Massen mit den Mitteln des Privatradios anziehen. Nun wird sie abgeschaltet    ■ Aus Leipzig Christian Rohde

Radiosender feiern immer große Partys. MDR life, die Boulevardwelle des Mitteldeutschen Rundfunks, feiert wieder zu Silvester ein Riesenfest im Leipziger Hauptbahnhof. Doch bei MDR life gibt es nichts mehr zu feiern. Die Welle wird nach der Party abgeschaltet. Wegen andauernder Erfolglosigkeit.

„Man muß zugeben, daß MDR life in einer Krise steckt und möglicherweise gar nicht mehr reformierbar ist“, sagt Intendant Udo Reiter noch vorsichtig, obgleich das Ende längst beschlossene Sache ist. Die Erkenntnis kommt dem Intendanten reichlich spät. Schließlich hat MDR life über mehrere Jahre hinweg konstant Hörer verloren: Von ehemals 30 Prozent Marktanteil blieben 7,4 Prozent. Dabei sollte das Programm eine Massenwelle sein. Und die Massen wollte der MDR mit möglichst billigen und oft noch schludrig umgesetzten Methoden gewinnen. Nicht nur, daß man bei MDR life von Anfang an auf journalistische Akzente fast völlig verzichtet hat. Zudem gelang es dem Sender nie, das Musikformat des Senders auf eine klare Zielgruppe zuzuschneiden. Und bei der Präsentation hat der MDR einfach zuwenig Geld ausgegeben. Keine prägnanten Stimmen, keine prägenden Figuren. Die Präsenz von Peggy Patzschke und „Ecke, dem Vollstrecker aus Halle“ erschöpfte sich in Dauerwerbesprüchen für das Programm, obwohl – abgesehen von Horoskopen – kaum etwas da war.Der öffentlich-rechtliche MDR life sollte immer wie ein privates Boulevardradio klingen. Doch als in Ostdeutschland der echte Privatfunk zu senden begann, stürzte MDR life ab. Die privatwirtschaftlichen Radiokonkurrenten beherrschten das Handwerk des Dudelfunks einfach besser. Sie steckten eine Menge Geld in Morningshows mit viel Klamauk, klebten die bessere Außenwerbung und verlosten schon mal zehn Autos in der Woche. Da konnte das Plagiat vom MDR nicht mehr mithalten. Und so dokterten die Macher an ihrem Programm herum. Immer, wenn sie mal wieder in einer Media-Analyse, dem Dax der Radiomacher, abgestürzt waren, versuchten sie es noch etwas flacher: Noch ein bißchen weniger Journalismus, noch ein bißchen mehr Privatradiokopie. Doch die Hörer flüchteten weiter. „Mißerfolg erzeugt offenbar eine gewisse Spirale“, wundert sich Intendant Reiter.

Zuletzt holte der Sender einen ausgemachten Kommerzfunker an die Spitze der Welle. Jürgen Vogel war früher Programmdirektor von Radio PSR, der erfolgreichen privaten Konkurrenz aus Sachsen. Doch auch er hatte keinen Erfolg mit seiner Strategie, das Programm von MDR life noch mehr auf Privatradio zu trimmen. Zuletzt hatte er die Senderkennung auf den Spruch „Ihre Lieblingshits aus den letzten 20 Jahren und den aktuellen Charts“ reduziert. Nun will es der MDR aufs Neue versuchen. Wie das neue Programm aussehen soll, kann Vogel nicht verraten, sagt er. Auch die Intendanz hüllt sich in Schweigen. Man wolle der Konkurrenz nicht schon vorher das neue Konzept ausplaudern. Doch was gäbe es schon zu verraten? Daß ein Neuanfang „sehr wahrscheinlich ist“, wie es der Intendant sagt, der den Neubeginn schon sooft verkündet hat?

Daß es der MDR einmal mit Qualität versucht, und es bald tatsächlich ordentlichen Journalismus und gute Unterhaltung zu hören gibt, ist unwahrscheinlich. Schon hat die MDR-Geschäftsführung durchblicken lassen, daß sie den jetzigen Programmchef halten will. Und auch die Mannschaft soll einstweilen nicht ausgewechselt werden. Außer den Qualitätsmängeln hat der MDR noch ein anderes Problem: Er hat es bei MDR life nicht geschafft, ein Programm für drei Länder zu machen, obgleich Intendant Reiter seine Mehrländeranstalt immer als Vorbild preist. Das Programm war für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu jeder Tageszeit das gleiche. Altbackene Moderatoren versuchten mit regionalem Insiderwissen und starkem sächsischem Akzent regionale Schmankerl über die Landschaften Mitteldeutschlands zu verteilen. Da wurde auf sächsisch die gute Thüringer Rostbratwurst hochgelobt; das Gebilde, für das sie sendeten, nannten die Moderatoren auch noch „Lifeland“.

„Lifeland“ ist tot, und vielleicht sagt das mehr über die Probleme des Leipziger Senders aus, als Udo Reiter zugeben will. Jahrelang hat sich der Intendant an jeder Ecke als ARD-Reformer, Anstaltsmodernisierer und mitteldeutscher Medienstandortförderer feiern lassen. Gleichzeitig schaltete zu Hause ein breites Publikum die Rundfunkgeräte aus, wenn sein Sender funkte. Einstweilen kann sich der Intendant noch mit den Quoten seiner MDR-1-Radioprogramme für die ältere Generation und seiner Volksmusiksendungen im Fernsehen trösten. Doch da sendet er an einem großen Teil seines potentiellen Publikums vorbei.