„Madam Butterfly“ ist Vergangenheit

Japans Frauen revolutionieren das Gesellschaftsbild. Statt als „Büroblumen“ den Männern Tee zu servieren, streben sie eine eigene Karriere an. Die Wirtschaftskrise eröffnet ihnen jetzt neue Chancen  ■   Aus Tokio André Kunz

Japan erlebt eine stille Revolution. Die Frauen begehren auf. „Win Win“ heißt eine neue Initiative, die jüngst offiziell ins Leben gerufen wurde. „Regierten Frauen dieses Land, wäre es ein anderer und vor allem lebenswerterer Ort“, erklärte die Unternehmerin Aiko Okawara, die zusammen mit 30 bekannten Frauen aus Wirtschaft, Politik und Show Business ein Netzwerk zur Unterstützung von Politikerinnen in Wahlkämpfen gründete.

Internationale Frauenorganisationen mahnen Japan schon seit Jahrzehnten an, mehr für die Förderung von Frauen in der Politik zu tun. Beschämend war es für Nippon, als 1995 ein Mann die japanische Delegation an der UN-Frauenkonferenz in Peking anführte. Und im mächtigen 500-köpfigen Unterhaus sitzen nur 23 Parlamentarierinnen. Damit liegt Japan weit hinter den Industrieländern und auf der Höhe von Entwicklungsländern. Die jüngste Wirtschaftskrise und Skandale in der Bürokratie haben die von Männern dominierte Politik jedoch in Verruf gebracht. Im April gewannen Frauen bei den Lokalwahlen mehr als 10 Prozent der Sitze: ein Nachkriegsrekord. Auch sitzt mit der 39jährigen Seiko Noda als Transport- und Telekommunikationsministerin die jüngste Politikerin überhaupt in einer japanischen Regierung. Und heute werden zwei kleinere Parteien von Frauen geführt.

„Geld ist der ausschlaggebende Punkt“, sagt Aiko Okawara von Win Win. Sie selbst führt eine Nahrungsmittelfirma und erlebte oft, wie männliche Politiker, die sie über Geschäftsbeziehungen kennengelernt hatte, später um Wahlspenden anfragten. „Frauen haben nicht die Beziehungen und das Netzwerk, um genügend Geld für die aufwendigen japanischen Wahlkämpfe zu besorgen“, sagt Okawara, „Darum wollen wir mit Win Win 'wenig Geld‘ von vielen Frauen sammeln.“

Die prominente Journalistin Mitsuko Shimomura, ebenfalls Mitglied der neuen Initiative, verspricht sich viel von der aktiveren Teilnahme von Frauen in der japanischen Politik. Obwohl schon heute Frauen in den zahllosen lokalen Bürgerbewegungen mitmachen, haben sie in der nationalen Politik keine gewichtige Stimme. So wurde bereits 1986 das Gleichberechtigungsgesetz in Japan eingeführt. Es war jedoch derart verwässert, daß es keine substantielle Besserung für arbeitende Frauen brachte.

Erst das am 1. April 1999 eingesetzte Gesetz über die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz gibt den Frauen endlich ein Instrument in die Hand, gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz und sexuelle Belästigung zu klagen. Statt als „Büroblumen“ den Männern Tee zu servieren und Kopien anzufertigen, können Frauen nun aktiv eine Karriere anstreben. Die Heirat oder die Geburt von Kindern dürfen von Firmen nicht als Kündigungsgrund angeführt werden.

In einer Gesellschaft, die jahrhundertelang dem konfuzianistischen Prinzip des „dansonjohi“ – noble Männer und demütige Frauen – huldigte, ist ein Wandel schwieriger. Noch heute wird im japanischen Unterricht das traditionelle Prinzip, daß Töchter den Vätern, Ehefrauen den Gatten und Mütter den Söhnen besonderen Respekt zu bezeugen haben, auf verschiedene Art vermittelt. In Märchen, Heldengeschichten und der Literatur sind diese traditionellen Rollenverteilungen immer wieder anzutreffen.

Doch die jüngste Wirtschaftskrise und die massiv steigende Arbeitslosigkeit erschütterte das Sicherheitsgefühl der Männer an ihren Arbeitsplätzen. Erstmals müssen sie darüber nachdenken, unter Umständen Hausarbeit zu leisten, während die oft besser ausgebildete Ehefrau eine Karriere verfolgt.

„Es ist eine stille Revolution, die Japans Frauen anzetteln“, sagt die Journalistin Shimomura. Mit Hilfe von Win Win wollen die Frauen im nächsten Jahr bei den Unterhauswahlen ihre Präsenz im Parlament verdoppeln. Wenn alles nach Plan läuft, hoffen die Frauen gar bis zum Jahre 2005 der Welt die erste japanische Regierungschefin präsentieren zu können.