„Den Fehdehandschuh aufnehmen“

■ Der Bauernverband fühlt sich von der Politik ausgenommen. Junge Bauern setzen mehr und mehr auf Dienstleistungen

Berlin/Cottbus (taz/dpa) – Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Gerd Sonnleitner, will die Sparpläne der Bundesregierung nicht hinnehmen. Sonnleitner warf Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vor, beim Deutschen Bauerntag in Cottbus die Konfrontation mit den Bauern gesucht zu haben. „Er hat uns den Fehdehandschuh hingeworfen, wir werden ihn aufnehmen“, drohte der Bauernpräsident. Schröder war am Freitag in Cottbus auf wütende Proteste von 3.000 Bauern gestoßen, als er Korrekturen an den Sparplänen für die Landwirtschaft strikt ablehnte. Das es kein Heimspiel werden würde, war dem Kanzler ohnehin klar: Bei der Europawahl hatte nur jeder zehnte Bauer die SPD gewählt.

Gestern ging in Cottbus der erste deutsche Bauerntag im Osten zu Ende. Der Bauernverband nannte ihn stolz den „turbulentesten der Neunziger“. Am Freitag hatten sich 20 Bauern vor dem Kanzler ein T-Shirt mit der Aufschrift „Das letzte Hemd“ vom Leibe gerissen, was Schröder lediglich mit den Worten kommentierte: „Hier wird beim Hemdausziehen so getan, als ob es nur Bauern auf den Höfen gäbe.“

Nicht einmal über die tatsächliche Belastung der Landwirte durch die Bonner Politik konnte man sich einigen. Nach Rechnung Sonnleitners verringert sich das Nettoeinkommen der Bauern durch die EU-Agrarreform Agenda 2000 sowie die Steuerreform und das Sparpaket um insgesamt fünf Milliarden Mark. Bundesagrarminister Karl-Heinz Funke (SPD) sprach dagegen von höchstens vier Milliarden Mark Belastung für die Landwirte – und zwar nicht nur in einem Jahr, sondern bezogen auf die Jahre 2000 bis 2008. Funke kritisierte Sonnleitner, weil er im Vorfeld jede Verhandlung verweigert habe.

Gleichzeitig feierte der Bund der Deutschen Landjugend (BDL) sein 50jähriges Bestehen auf dem Bauerntag. Die jungen Bauern machen sich keine Illusionen mehr: „Die traditionelle Landwirtschaft wird es in Zukunft nur noch in wenigen Bereichen geben“, sagt BDL-Chef Dirk Detlefsen. „Deshalb müssen wir uns freie Märkte suchen, wo die Politik nicht ihre Finger im Spiel hat.“ Dazu gehörten Dienstleistungen, wie Direktvermarktung oder Mähen an Straßenkanten – hier können Bauern mehr als bisher übernehmen. Auch bei erneuerbaren Energien wie Biomasse sieht Detlefsen „eine ganz große Chance“.

Im Herbst werden in Seattle (USA) die Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) zur Öffnung des Agrarmarktes beginnen. Nach Sonnleitners Ansicht sind die EU-Bauern gut darauf vorbereitet. „Dort müssen wir den Amerikanern aufzeigen, was sie alles für Schutzmechanismen für Landwirte haben.“ Der Präsident des Bauernverbands hält eine Einigung auf ein gemeinsames Abkommen für wahrscheinlich. urb