Die Rückkehr des Dreiliterautos

In den 50er Jahren gab es bereits Autos, die nur drei Liter Sprit brauchten. Nun bringt VW wieder das erste in Großserie produzierte Sparmobil auf den Markt    ■ Von Hannes Koch

Berlin (taz) – Mitte der 50er Jahre gab es plötzlich ganz merkwürdige Geräte auf den Straßen. Eines dieser Fahrzeuge ähnelte dem tropfenförmigen Cockpit eines Jagdflugzeuges, weshalb man es – in Erinnerung an die Großtaten der Luftwaffe – als „Messerschmitt-Bomber“ bezeichnete. Einsteigen konnten die beiden Passagiere, indem sie das Dach des Autos seitlich wegklappten.

Ein anderes Modell, die Isetta von BMW, gewährte Einlaß nur von vorne. Wo bei heutigen Limousinen sich die Motorhaube befindet, trug die Isetta ihre Fahrertüre. Vier Räder hatten die Kleinstwagen aber trotzdem.

In einer Beziehung freilich waren die oft verspotteten Gefährte schon auf einem Stand, den heutige Autohersteller zumeist noch nicht wieder erreicht haben. Sie verbrauchten knapp drei Liter Benzin auf 100 Kilometern – ein Kriterium, das nach der Ansicht von UmweltschützerInnen heute Autos erfüllen müßten, solle das Klima nicht weiter belastet werden.

44 Jahre brauchte die deutsche Autoindustrie, um den damaligen Zustand wiederherzustellen – und rühmt sich nun der Innovation. Heute stellt VW in der schwedischen Stadt Göteborg die Dreilitervariante seines Kleinwagens „Lupo“ („Wolf“) vor, der durchschnittlich 2,9 Liter Diesel braucht. Damit ist der Lupo der erste in Großserie hergestellte Dreiliterwagen auf dem Markt. Nischenhersteller hatten zwar in den vergangenen Jahren immer wieder relativ umweltfreundliche Fahrzeuge präsentiert, kamen aber über niedrige Stückzahlen nicht hinaus, bevor sie der Konkurs ereilte.

Nachdem VW 1998 großen Wind um seine Neuentwicklung machte und so den konsternierten KollegInnen bei DaimlerChrysler, die demnächst einen ähnlich sparsamen „Smart“ liefern, die Schau stahl, halten sich die Wolfsburger PR-Leute mit der Drei-Liter-Lobpreisung nun zurück. „Das steht nicht im Mittelpunkt“, sagt Dietmar Fritsche von VW.

Warum nicht? Wichtiger sei dem Konzern die ausgefeilte Technik des neuen Autos, „die Motorsteuerung“, der „geringe Reibungswiderstand“, begründet Fritsche. Möglicherweise beschleichen das Unternehmen gewisse Zweifel, daß man sich mit falschen Federn schmückt, würde man die Lupo-Variante als Dreiliterauto bezeichnen. Zwar beharrt Fritsche auf der Definition („Drei Liter sind drei Liter“), doch handelt es sich beim Lupo eben um ein Dieselfahrzeug. Und der Brennwert von Diesel liegt erheblich unter dem von Normalbenzin. 3 Liter Dieselverbrauch entsprächen etwa dem Einsatz von 3,4 Litern Benzin, sagt Harald Diaz-Bone vom Wuppertaler Klima-Institut. Da war die Isetta von BMW 1955 schon sparsamer: Deren Verbrauch wird in der 250-Kubikzentimeter-Variante mit 3,2 Litern angegeben. Trotzdem, so Diaz-Bone, „kommt der Lupo dem Drei-Liter-Kriterium ziemlich nahe.“

Mühsam pirscht sich die Industrie nun an die Realisierung der alten Öko-Versprechungen heran. VW-Chef Ferdinand Piäch prognostizierte einst, daß es im Jahr 2000 eine Mittelklasse-Limousine von der Größe des ehemaligen Audi 80 als Dreilitermodell geben werde. Weit gefehlt: Der Lupo ist nun ein Kleinwagen, den schon automobilisierte Haushalte als zusätzliches Fahrzeug kaufen – kein Ersatz aber für die normalen Familienkutschen, die das Gros der Autokolonnen ausmachen.

Die wesentliche Ursache für die lahme Umsetzung der Drei-Liter-Idee sieht Klimaexperte Diaz-Bone in den mangelnden ökonomischen Anreizen seitens des Staates – nicht in der oft vermuteten Unwilligkeit der Industrie, ein neues Vorhaben durchzusetzen. „Das Benzin ist zu billig“, so Diaz-Bone. Deshalb gebe es keine ausreichende Nachfrage der VerbraucherInnen nach spritsparenden Fahrzeugen. Andersherum liegt die Kaufpreis für den technisch ausgefeilten Öko-Lupo bei mindestens 26.500 Mark – 8.500 Mark über den Kosten der Normalvariante. Da muß man rund zehn Jahre fahren, um den höheren Kaufpreis durch den geringen Benzinverbrauch zu armortisieren – zu lange, um ein gutes Marketingargument abzugeben. Demzufolge rechnet VW auch nur mit einer jährlichen Produktion von 15.000 Stück – lächerlich im Vergleich zu anderen Modellen. Für Diaz-Bone gibt es daher nur zwei Möglichkeiten, das Dreiliterauto massenhaft zu fördern: Entweder verteuert der Staat das Benzin oder subventioniert Ökomodelle herunter.

In den 50er Jahren entsprach die ökonomische Situation ungefähr dieser Forderung: Spritsparende Autos waren halbwegs billig und der Benzinpreis im Vergleich zu den Einkommen hoch.

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