Der Mann, der nicht aus Texas kommt

Musik, die gemacht wird, weil sie gemacht werden muß, voll freudloser Fröhlichkeit: A. Krohn hat irgendwo zwischen Berlin und New York den Blues bekommen und kriegt ihn nicht mehr los  ■   Von Thomas Winkler

Es sind wunderliche kleine Songs. Songs, die verschlafen dahinschlürfen, denen man jedes Quietschen beim Gitarrengriffwechsel anhört und jedes Luftholen des Sängers. Songs, die offensichtlich nicht so recht wissen, was sie wollen. Oder auch: Songs, die die Angst vor der eigenen Traurigkeit fast schon verzweifelt mit einer seltsamen freudlosen Fröhlichkeit bekämpfen, die notgedrungen in einem so gar nicht selbstsicheren Fatalismus enden muß. Es sind Songs, wie sie hierzulande nur Alexander Krohn schreibt.

Alexander Krohn ist ein schüchterner junger Mann, dem man nicht ansieht, daß er einen Teil seiner Freizeit auf Konzertbühnen verbringt. Einer, der nicht nur unentschlossen wirkt, sondern es offensichtlich auch ist und Songs dann schlicht „Untitled“ betitelt. Einer, der seine größten Einflüsse im Blues und Country verortet, und dann, fast ein wenig enttäuscht, feststellt: „Aber ich bin ja nicht aus Texas.“

Wohl wahr. Alexander Krohn ist aus Pankow. Dort ging er zur Schule, dort spielte er Banjo in einer Band, die Elvis-Oldies coverte. Dort sitzt er nun in der Küche einer Freundin, das Haus ist eingerüstet, und auch sein linkes Bein liegt in Gips, weil er es sich vor wenigen Wochen beim Fußball gebrochen hat. Dort in Pankow fanden sich auch Britannia Theatre zusammen, bei denen Krohn sechs Jahre Sänger, Hauptsongschreiber und treibende Kraft war, bis sich die Band „totgelaufen“ hatte, „weil es auch nie einen Hauch von Erfolg gezeitigt hat“. Über den Status Geheimtyp kamen Britannia Theatre nie hinaus, 1998 lösten sie sich auf, zur großen Trauer der kleinen, aber strenggläubigen Anhängerschar. Man hatte sich „persönlich und musikalisch auseinanderentwickelt“.

Nach dem Ende der Band, die „das Wichtigste in meinem Leben“ war, legte er den ungeliebten Spitznamen Sunny ab, unter dem er noch bei Britannia Theatre firmiert hatte, und ging für sieben Monate nach New York, einfach „weil mir die Stadt gefiel und ich ohne Band keinen Grund hatte, in Berlin zu bleiben“. Alles, was er zurückließ, war der Job an der Nachttankstelle. Mit Gelegenheitsjobs hielt er sich auch in New York über Wasser und begann das Loch in seinem Leben zu füllen mit Songs, die er nur für sich schrieb.

Schließlich mietete er sich stundenweise ein Studio und lud sich alte Freunde aus der Heimat ein. Zwei Platten entstanden in dieser Zeit. Auf der Mini-LP „Thunder Songs“ stemmt sich A. Krohn im Alleingang gegen die Depression, auf der unlängst erschienenen „A. Krohn & Two Horsemen“ scheint die Traurigkeit schon relativ erfolgreich in die Schranken gewiesen. Wenn man will, kann man diesen Platten anhören, daß der Mensch, der sie macht, leicht perspektivlos in die Zukunft blickt. „Diese Art von Musik“, sagt Krohn, „liegt nicht gerade im Trend.“

Seine Musik ist Musik, die gemacht wird, weil sie gemacht werden muß, weil sie werden muß, weil sie sein will. Ironie gibt es nicht mehr: „Ich habe keine künstlerische Distanz. Es interessiert mich, zum Wesen des Songs zu kommen.“

Gar nicht interessiert es ihn, das Wesen des Musikgeschäfts zu ergründen. „Ich habe keine Lust, aus Karrieregründen Kontakt zu Leuten aufzunehmen, die mich eigentlich nicht interessieren.“ Also kommt seine Musik bei den alten Kumpels heraus, auf dem Label, das sie zu Britannia-Zeiten gründeten, weil niemand sonst ihre Platten veröffentlichen wollte.

28 Jahre ist Krohn jetzt alt, aber seinen Lebensunterhalt kann man sich so natürlich nicht verdienen. „Von der Musik leben ist mein Ziel“, sagt Krohn, „aber in erster Linie will ich was machen und nicht zuviel drüber nachdenken, das könnte schon ganz schön deprimierend sein.“ Die leicht verschlagene Hintergründigkeit von Britannia Theatre, ihr hinterlistiger Humor, die manische Fröhlichkeit ihrer Ausflüge in osteuropäische Folklore, diese musikalischen Brechungen sind getilgt. Statt dessen dominieren Country-Akkorde und ein alles beherrschendes bluesiges Gefühl. „Ich kann ja auch nichts anderes, ich habe ja nie einen Beruf gelernt“, sagt Krohn. Und aus Texas ist er auch nicht.

A. Krohn: „Thunder Songs“ (Moloko Plus) A. Krohn & Two Horsemen (Mint Grün/Moloko Plus) A. Krohn & Four Horsemen live: 8. 7., Potsdam Lindenpark-Keller, 7. 7. Kulturbrauerei, 9. 7. Hennigsdorf Konni Island, 12. 7. Lunabar, 13. 7. French Quarter, 14. 7. Dezibel, 15. 7. Tacheles, 16. 7. Berlin Acud