Einigung mit Nato: Die Russen kommen

■  Die Stationierung russischer KFOR-Soldaten im Kosovo kann nach zweitägigen Verhandlungen mit der Nato in Moskau fortgesetzt werden. Die russische Luftbrücke nach Pristina kommt damit wieder in Gang

Moskau (taz) – Das russische Verteidigungsministerium meldete gestern Vollzug: Danach konnten sich die in einer Blitzaktion am Wochenende nach Moskau gereiste Nato-Delegation und russische Militärs in letzter Minute über die Rolle und Funktion der russischen KFOR-Einheiten im Kosovo einigen. Allerdings wurde nichts über die Unstimmigkeiten bekannt, die Washington am Wochenende veranlaßt hatten, Bulgarien, Rumänien und Ungarn aufzufordern, dem russischen Kontingent die Überflugrechte zu verweigern. Seit gestern nachmittag steht der Abreise der russischen Einheiten nichts mehr im Wege.

Am Wochenende hatten sich die russisch-amerikanischen Beziehungen wieder dem Gefrierpunkt genähert. Vergessen waren die Versöhnungsgesten des G-8-Gipfels in Köln vor zwei Wochen. Erst in der letzten Woche hatte Moskau einen amerikanischen Militärattaché zur Persona non grata erklärt und des Landes verwiesen. Inwieweit dieser Vorfall mit der amerikanischen Intervention in Zusammenhang steht, wollte indes keine der beiden Seiten erläutern.

Die russischen Militärs schäumten vor Wut, während das russische Verteidigungsministerium die Aktion Washingtons schlichtweg als „Provokation der Vereinigten Staaten“ bezeichnete. Bereits am Sonntag abend war eine Delegation der Nato in Moskau eingetroffen, um – wie es hieß –, „technische Bedingungen der Dislozierung“ zu erörtern. Nach amerikanischer Darstellung zielte Rußland darauf ab, das in Helsinki in langwierigen Verhandlungen vereinbarte Dokument zur Teilnahme Rußlands an der KFOR noch einmal nachzubessern.

Die Beteiligung russischer Truppen war bisher im französischen, deutschen und amerikanischen Sektor vorgesehen. Angeblich wollte Moskau nun auch im italienischen Hoheitsgebiet mit einbezogen werden. Offensichtlich befürchtete die Allianz, die Russen könnten dadurch doch noch ihren urspünglichen Plan verwirklichen und eine eigene Zone einrichten. Das wäre auf eine Teilung des Kosovo hinausgelaufen.

Überdies hegte Washington Mißtrauen, die Militärs der siechenden Supermacht würden auch die weiche Formel der Kommandostruktur unterlaufen. Moskau hatte von Anfang an darauf bestanden, seine Einheiten nicht unter Nato-Befehl auftreten zu lassen. Inzwischen behaupteten US-Quellen, die Russen versuchten sich gänzlich von den Nato-Strukturen abzunabeln.

Bis zuletzt umstritten soll die Oberhoheit über den Flughafen von Priština gewesen sein, den die Russen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im Juni unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Anscheinend waren sie nicht willens, den Flughafen zu räumen.

Die Vorsicht der Nato nach dem russischen Kosakenstückchen von Priština läßt sich durchaus nachvollziehen. Die Ungereimtheiten und Unwägbarkeiten, die der Helsinki-Vereinbarung anhafteten, waren jedoch lange bekannt. Vieles deutet darauf hin, daß die nun aus dem Weg geräumten Hindernisse nicht die letzten zwischen Rußland und der Nato um das Kosovo gewesen sind. Die prinzipielle Beteiligung der Russen an der KFOR-Truppe stand indes trotz der Querelen nicht auf dem Spiel. Auf dem Seeweg zu den griechischen Häfen Thessaloniki und Katerini waren Einheiten bereits unterwegs. Klaus-Helge Donath

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