Vom Erdenbürger zum Netizen
: Die Weltmeister des Selbstlobs

■ Eine eher emotionale Einführung in die Welt der neuen Netze in schätzungsweise zehn Folgen / Siebte Lieferung: Kontaktanzeigen und wie man darauf e-mailt

Zur Erinnerung: Eines schlimmen Tages war der Autor wieder allein, allein. Doch er wollte es nicht bleiben. Also machte der inzwischen zum regen Nutzer des Internet gewordene Single aus der Not eine Tugend. Er begann zu chatten, entdeckte Internetseiten mit Kontaktanzeigen, bekam bald E-mails aus aller Welt. Und wenig später sollte er auf elektronischem Weg sogar seine Traumfrau finden. In der heutigen Folge dieser Serie nähert er sich der Schilderung dieses schönen Ereignisses endlich mal in einem Riesenschritt.

In nackten Zahlen ist das Geschlechterverhältnis im Internet ungerecht. Auf den Seiten mit Kontaktanzeigen inserieren acht- bis zehnmal mehr Männer als Frauen. Damit nicht genug: Frauen sind im Vergleich auch noch regelrecht schreibfaul. Wer als Mann eine mit seriösen Absichten formulierte Kontaktanzeige auf Seiten wie www.date.de oder www.allesliebe.com aufgibt und neben achtzehn Werbemails für Telefonsex-Agenturen und russisch-deutsche Heiratsvermittlungen fünf seriöse Antworten erhält, darf sich schon fast glücklich schätzen. Frauen dagegen dürften mit mindestens 50 Antworten rechnen. Die Obergrenze ist offen und liegt jenseits der 700. Mann muß sich also etwas anstrengen, um in der Flut aufzufallen.

Doch zunächst muß die Anzeige auffallen. Wie bei der gedruckten Konkurrenz in Stadtmagazinen oder unter den Selbstlob-WeltmeisterInnen in der „Zeit“ spricht nicht jede Annonce jeden an. Das, umgarnte Leserin, eingewickelter Leser, ist nichts neues. Doch durch die Internetseiten mit Kontaktanzeigen kann man prima scrollen. Mit Maus oder Tastatur sauste ich durch die Annoncen, und das ist eine erheblich sportlichere Tätigkeit als das Überfliegen von Zeitungsseiten. Zumal das Computern auch sämtliche oralen Bedürfnisse weckt. Die Abgeschiedenheit von der realen Außenwelt führt dazu, daß Netizens ständig Zigaretten im Mund haben oder sich Kaltgetränke zuführen. Der lebensverlängernde Netizen-Schnuller mit Himbeergeschmack wäre eine noch zu machende Erfindung. Aber ich schweife ab.

Nach der 15. „Hast Du eine e-m§ail für mich“-Überschrift entschied ich mich bei der Anzeigenlektüre für das Zufallsverfahren. Ich überflog die Annoncen von Sabine, Claudia oder Diva in immer schnellerem Tempo und wußte, irgendwann wird mein inzwischen doppelt sehendes Augenpaar schon bei der richtigen hängen bleiben. Ich überlas „Nur Berlin und Umgebung“ oder „Schwaben aufgepaßt: Schlaflos in Stuttgart“. Auch „Wo gibt es sie noch, die richtigen Männer? Vielleicht hier?“ weckte kein Interesse.

Ich kann keine generelle Empfehlung für den richtigen Text geben. Aber Katharina schrieb einen. Vielleicht war es nur ein Stichwort. Vielleicht war es auch eines ihrer Hobbies. Vielleicht war es auch die drastische Formulierung „Dumpfbacken zwecklos“. Ich fühlte mich jedenfalls herausgefordert, der Puls stieg, die Aufregung wuchs. Ich dachte über eine Pointe nach, machte einen kleinen Witz, wagte eine freche Behauptung und garnierte das Ganze mit einem selbstironischen Schlenker. Nur 60 Minuten später schickte ich eine spontan formulierte, aus vier Sätzen bestehende Mail an Katharina.

Dann begann das Warten auf Antwort. Erst schaute ich nur alle sechs Stunden in der Mailbox nach. Dann verkürzten sich die Intervalle auf drei Stunden. Selbst nachts stand ich auf. Doch es tat sich nichts. Vier Tage und drei Nächte lang. Ich hatte mich wohl überschätzt. Ich wußte noch nicht, mit wie viel Konkurrenz ich es zu tun hatte. Und ich wünschte, jemand hätte den lebensverlängernden Netizen-Schnuller mit Himbeergeschmack schon erfunden. Doch am späten Abend des vierten Tages kam eine Antwort. Katharina hatte angebissen, und ich legte sofort den nächsten Köder.

Christoph Köster

Wird Katharina die erwähnte Traumfrau sein? Gibt es sie überhaupt? Lesen Sie in der nächsten Folge, mit welchen Formulierungen der Autor Erfolg hatte.