Ehrenrettung für ein angeschlagenes Genre

■ Jurassic 5 bleiben real und verorten ihr Zuhause auf dem Beton des Schulhofes

Es ist noch kein Jahr her, da schien HipHop aufbrechen zu wollen zu neuen Ufern, die doch die alten waren. Der Underground setzte der Puff-Daddysierung die Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln entgegen. Keine modischen Coverversionen, keine poptaugliche Produktion, keine Auftragsarbeiten für Emmerich-Filme, keine Golfschläger. Statt dessen hießen die reanimierten Zauberwörter Turntablism und MCing. Das meinte zwar kaum mehr, als HipHop auf die Grundlagen aus den 80ern zu reduzieren, einen fetten Beat kicken, amtliche Lyrics droppen, real bleiben. Im Reich der Selbstzufriedenen und Sattgefressenen kam das einer Revolution gleich.

Auch wenn sie aus Los Angeles stammen, von wo jahrelang nur Gangsta-Rap kam, die Hymne zum Thema lieferten damals Jurassic 5. Über die knarzend unwiderstehlichen Beats der DJs Nu-Mark und Cut Chemist beschworen die Rapper Chali 2na, Zaakir, Marc 7even und Akil den „Concrete Schoolyard“. Dort, auf dem Beton des Schulhofes, verorteten sie das Zuhause der unverfälschten HipHop-Kultur. Und tatsächlich hat es wohl lange kein Stück gegeben, das so sehr faszinierte. „I get goosebumps when the bassline thumps“, heißt es dort. Und: „Let's take you back to the concrete streets / Original beats with real live MCs.“

Es ging um nichts weniger als die Essenz, wie sie die Helden der old school einmal in den glorreichen Achtzigern formuliert hatten. Daß dieser historisierende Ansatz nicht in der Lage war, vehement in den Mainstream vorzudringen, war trotz aller journalistischer Begeisterung zu erwarten. Und ja wohl auch nicht wünschenswert. So blieb die Ehrenrettung für ein angeschlagenes Genre. Und der Beweis, daß doch noch anderes möglich und der Blick zurück manchmal schöner ist als der Drang nach vorne.

So ganz überraschend sind Rückwärtsgewandtheit und der souveräne Umgang mit den Errungenschaften der Vergangenheit allerdings nicht, schließlich sind Jurassic 5 der Zusammenschluß zweier HipHop-Crews, die vorher schon fast zehn Jahre aktiv waren, aber nie über lokale Berühmtheit hinauskamen. Auch die positive Aufnahme des selbstbetitelten Debütalbums hat sich nicht gerade zum Dauererfolg ausgewachsen, auf einen Nachfolger wartet man immer noch.

Auf der Bühne machen Jurassic 5 ihrem Namen alle Ehre und schmeißen die Zeitmaschine an: Vier Rapper, die jeden Tag eine Freestyle-Battle anzetteln können, anstatt sich als bessere Animateure zu verstehen und das Publikum zum Mitsingen und Armeschwenken aufzufordern. Keine DAT-Rekorder, sondern zwei DJs an ihren Plattenspielern, die ihre Loops noch live schneiden. Schlußendlich geht es um die Party, denn allein deshalb wurde HipHop einmal erfunden. Also: Nenn es Geschichtsunterricht, aber hab deinen Spaß dabei. Thomas Winkler ‚/B‘Ab 21 Uhr im Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg