Stromschlag für die autonome Szene

■  Operation „Goldene Hakenkralle“: Die Bundesanwaltschaft durchsuchte vier Wohnungen und zwei Firmen in Berlin nach „terroristischen Strukturen“ der „autonomen Gruppen“. Rechtsanwalt: „Beweislage eher kärglich“

Die Bundesanwaltschaft hat gestern im Rahmen bundesweiter Ermittlungen unter dem Stichwort „Goldene Hakenkralle“ vier Wohnungen und zwei Firmen in Berlin durchsucht. Der Generalbundesanwalt wirft „insgesamt sieben namentlich bekannten Personen“ die Bildung einer terroristischen Vereinigung vor. Sie sollen an Sabotageaktionen gegen das Schienennetz der Deutschen Bahn AG beteiligt gewesen sein.

Zwei Berliner stehen im Verdacht, zwischen Oktober 1996 und Februar 1997 an Anschlägen auf Oberleitungen der Bahn mitgewirkt zu haben. Zu den Attentaten hatten sich „autonome Gruppen“ bekannt. Umfangreiche Ermittlungen der „AG Energie“ des BKA hätten eine Tatbeteiligung bewiesen. Über die Qualität der Beweise war nichts zu erfahren. Die Ermittlungen dauern an.

Beide Anschlagsserien sowie weitere Anschläge seien auf „eine Personengruppe zurückzuführen, die sich dem militanten Widerstand gegen Castor-Transporte und die Ausrichtung von Olympischen Spielen in Berlin (Anti-Olympia-Komitee, „AOK“)“ verschrieben habe, hieß es in der Presseerklärung der BAW. Die Beschuldigten, so steht es im Durchsuchungsbeschluß, seien verdächtig, zum „Führungskader“ autonomer Gruppen für den Bereich Berlin zu gehören. Die Ermittlungen seien bereits seit knapp zwei Jahren beim Bundesgerichtshof anhängig.

Zu den in Berlin durchsuchten Objekten zählt unter anderem der ehemals besetzte Gebäudekomplex „Kerngehäuse“ in der Cuvrystraße. Etwa zehn Beamte des BKA mit „bemerkenswerter technischer Ausrüstung“ hätten gegen acht Uhr morgens mit der Durchsuchung begonnen, schildert die Augenzeugin Anne Fina, Vorstandsmitglied des Vereins „Kerngehäuse e. V.“ Dabei hätten die Beamten auch unzulässig Schränke in einer Autowerkstatt aufgebrochen. Die Kriminalisten beschlagnahmten Zigarettenkippen, Stadtpläne und Werkzeug. Außerdem kopierten sie die Festplatte eines Computers mit der gesamten Abrechnung eines Unternehmens. „Das Motto war: Wir nehmen alles, was wir kriegen können“, beschrieb Fina das Vorgehen der Beamten. Auch Sicherheitswesten für Bahnarbeiter und ein Funkscanner waren unter den sichergestellten Gegenständen.

Auch zwei „Nicht-Beschuldigte“, denen die „AG Energie“ lediglich „Kontakte“ zu den anderen Berlinern nachsagt, bekamen Besuch. Bei einem Objekt in Kreuzberg brachen die Staatsschützer die Tür zur Wohnung der Beschuldigten auf. Hier waren 20 BKA-Beamte vor Ort, die Durchsuchung dauerte bis zum Abend an.

Rechtsanwalt Christoph Kliesing, der einen der Beschuldigten vertritt, sagte, daß von allen Betroffenen eine Speichelprobe zur DNA-Analyse genommen wurde. Nach der Vernehmung seien sie freigelassen worden.

„Ein Erfolg“, bilanziert Eva Schübel, Pressesprecherin der BAW, den Verlauf der Aktion. Anwalt Kliesing nannte die Ergebnisse dagegen „offenbar eher kärglich“. Darauf weise auch die Tatsache hin, daß kein einziger Haftbefehl beantragt worden sei. „Die Personen sind doch alles Deutsche“, begründete Schübel, „es besteht keine Fluchtgefahr“.

Andreas Spannbauer

Bericht Seite 4