Rechter Beobachter der rechtsextremen Szene

■ Thüringens Verfassungsschutzpräsident fällt nicht nur durch die Ausspähung von Flüchtlingsrat und Gewerkschaftern auf. Er läßt sich auch zu rechten Äußerungen hinreißen

Berlin (taz) – Der Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, Helmuth Roewer, läßt in seinen Amtsstuben offenbar keine schlechte Laune aufkommen – was ihm jetzt Rücktrittsforderungen eingebracht hat.

Monatlich berichtet Roewers amtseigenes Blättchen Der Monat im Amt in einer Auflage von 300 Exemplaren launig von den Ereignissen im links- und rechtsextremistischen Lager, von Demos, auf welchen „die Polizei die Streithammel auseinanderhält“. Von einem „evangelischen Pfarrer“, der „in der Eskalationsphase auf sich aufmerksam macht“. Über einen Vortrag zum Thema „SED im Bezirk Erfurt“ und das anschließende „Brummen im Publikum, ob Aktenstudium die Wirklichkeit abbilden könne“. Der despektierliche Tonfall der amtlichen Mitteilungen, die an Landesbehörden und Abgeordnete verschickt werden, ist zumindest wunderlich.

Doch Roewers Berichterstattung beschränkt sich nicht auf NPD und Revolutionäre Zellen. Auch der Thüringer Flüchtlingsrat e.V. und Gewerkschaftsfunktionäre sind ins Fadenkreuz des eifrigen Verfassungsschützers geraten. Namentlich wird etwa die Sprecherin des Flüchtlingsrates als Anmelderin einer (friedlichen) Demonstration mit „200 Unterstützern aus der autonomen Szene“ aufgeführt.

Auf eine Diskussion mit der Datenschutzbeauftragten des Landes, ob die namentliche Nennung der Anmelderin gerechtfertigt war, reagierte das Mitteilungsblatt einerseits ablehnend, andererseits trotzig: „Im übrigen wundern wir uns darüber, daß ein uns anonymer Petent (obschon nicht betroffen?) sich zum Anwalt von Daten Dritter machen kann.“ Der Thüringer DGB-Vorsitzende Frank Spieth, welcher dem Landesamt für Verfassungsschutz auf einer Demonstration eine unausgewogene Beobachtungspraxis vorwarf, konnte die Quittung seiner Kritik in der nächsten Ausgabe des Monats nachlesen: „Daß er allerdings das Amt als auf dem rechten Auge blind bezeichnet, muß auf einer Wahrnehmungsstörung (Blindheit?) beruhen.“

Die Betroffenen wollen sich solche Äußerungen nicht mehr gefallen lassen. Gegenüber der ZDF-Sendung „Kennzeichen D“ (heute abend, 22.30 Uhr) protestierte Spieth dagegen, daß „Gewerkschaften und gewerkschaftliche Einrichtungen zum Zielobjekt der Ausspähung gemacht werden“. Sowohl DGB als auch Flüchtlingsrat fordern Roewers sofortigen Rücktritt.

Diese Forderung begründet sich auch auf Äußerungen Roewers, die ihn als Beobachter der rechtsextremen Szene nicht gerade prädestinieren. Auf einer Podiumsdiskussion am 21. Januar in Jena hatte sich der Verfassungsschutzpräsident über die Ursachen des erstarkten Rechtsglaubens bei Jugendlichen ausgelassen: „Sie sollten mal fragen, was sich für die meisten Menschen mit dem Dritten Reich noch verbindet ... Eine richtige Schlußfolgerung kann ein ganz normaler Mensch nur dann ziehen, wenn man ihm gesagt hat, was passiert ist, und zwar die schlechten und die guten Seiten.“

Meint er mit den guten Seiten etwa Hitlers Autobahnen? Der auf der Podiumsdiskussion ebenfalls anwesende Brandenburger Kriminologe Bernd Wagner spricht von einem „Bruch des demokratischen Konsens“, die Vertreterin der Jüdischen Gemeinde Berlin, Anetta Kahane, bewertet Roewers Äußerungen als „Parteinahme für die Rechtsextremisten“.

Gegenüber „Kennzeichen D“ relativierte Roewer seine Aussagen: Das Gute am Dritten Reich sei beispielsweise der Widerstand gegen die Nazis gewesen, und im übrigen sei „das Dritte Reich eine bestimmte Epoche in der deutschen Geschichte, und diese besteht nicht nur aus Verbrechen. Wenn Sie den jungen Leuten erklären, es seien nur Verbrechen gewesen, dann glauben die das nicht, weil sie dann in einen Großvater-Enkel-Konflikt kommen.“

Helmuth Roewers Dienstherr, der thüringische Innenminister Richard Dewes (SPD), wollte zu den genannten Vorwürfen keine Stellung beziehen.

Stefan Kuzmany