Abtreibung per Pille erlaubt

■  Bundesinstitut für Arzneimittel läßt umstrittenes Medikament zum Schwangerschaftsabbruch zu. Mifegyne ab Herbst anwendbar. Kölner Kardinal Meisner attackiert Entscheidung als „Rechtsbruch“

Berlin (taz) – Für heftigen Krach zwischen Regierung und katholischer Kirche sorgt die Zulassung der Abtreibungspille „Mifegyne“ in Deutschland. Das Bundesinstitut für Arzneimittel in Berlin hat gestern die französische Zulassung der umstrittenenen Abtreibungspille für Deutschland übernommen. Vertreter der katholischen Kirche, die das Präparat heftig bekämpfen, kritisierten die Zulassung: Sie sei, so befand der Kölner Kardinal Meisner, „ein Rechtsbruch, der von öffentlichen Kampagnen und auch von Politikern herbeigezwungen wurde“. Er bezeichnete das Präparat erneut als „Todespille“. Gesundheitsministerin Andrea Fischer(Grüne) wies dies zurück und verlangte von Meisner eine Entschuldigung.Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, äußerte die Befürchtung, daß die Einstufung als Medikament dazu führe, daß das „ungeborene Kind als zu beseitigender Schaden“ betrachtet würde und damit die Hemmschwelle für eine Abtreibung sinke. Dem hielt die gesundheitpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Regina Schmidt-Zadel, entgegen, Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, daß die Zahl der Abtreibungen durch die Einführung der Pille nicht gestiegen sei. Frauenministerin Bergmann (SPD) bekräftigte: „Diese Alternativmethode sollte Frauen zur Verfügung stehen.“ Auch einige CDU-Politikerinnen wie Rita Süssmuth hatten sich in der Vergangenheit für das Medikament ausgesprochen.

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, urteilte, gerade für frühe Schwangerschaftsabbrüche sei Mifegyne eine „schonendere Methode als die chirurgischen Verfahren“. Doch diese Ansicht wird nicht nur von den Kirchen in Zweifel gezogen. Auch Pro Familia warnt vor überzogenen Hoffnungen auf eine „schonende“ Abtreibung und verweist auf Nebenwirkungen wie Krämpfe und Übelkeit. Nachfolgende Blutungen könnten bis zu 15 Tage andauern. Auch die psychische Belastung sei groß: Die Frau erlebe drei Tage lang jedes Stadium der Abtreibung mit und sehe auch deren Ergebnis. Als problematisch beurteilen Frauenärzte die Tatsache, daß die notwendigen Zusatzmittel, die zur Austreibung der Schwangerschaft führen, in Deutschland für eine Abtreibung nicht zugelassen sind. Zwar kann der Arzt sie anwenden, da er Behandlungsfreiheit genießt, aber er haftet für eventuelle Komplikationen. Der Vorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte, Armin Malter, hat deshalb seine Berufskollegen eindringlich vor der Anwendung des Medikaments gewarnt. Auch der Rechtsreferent des Bundesinstituts für Arzneimittelforschung, Harald Merkel, betonte, daß der Arzt auch dann hafte, wenn die Frau eine Einverständniserklärung für die „nicht bestimmungsgemäße Einnahme“ des Zusatzmittels unterschreibe. Lösen könnte sich das Problem nach Angaben des Berufsverbandes der Frauenärzte, wenn die Firma „Exelgyn“ bei der zuständigen EU-Behörde eine „Paketlösung“ von „Mifegyne“ und den fraglichen Prostaglandinen durchsetzte.

Der französische Hersteller Exelgyn hatte die Zulassung in insgesamt neun europäischen Ländern beantragt. Außer in Deutschland wird die Pille damit auch in Österreich, Spanien, Finnland, Griechenland, Dänemark und den Benelux-Staaten anwendbar. Ab Oktober wird das Medikament auf dem deutschen Markt für etwa 130 Mark verfügbar sein.

Die medikamentöse Abtreibung basiert auf einer Art Anti-Hormon, das die Einnistung des befruchteten Eis in der Gebärmutter stoppt. Zwei Tage nach diesem Medikament schluckt die Frau ein zweites Präparat, das zur Austreibung des Fötus führt. Mifegyne darf nur bis zur siebten Schwangerschaftswoche angewandt werden, ältere Frauen und Raucherinnen sollten das Medikament nicht benutzen. Die Methode ist eine Abtreibung im Sinne des Schwangerschaftsgesetzes und muß nach demselben Procedere durchgeführt werden wie operative Methoden, also unter anderem mit der gesetzlichen Schwangerschaftsberatung und dem obligatorischen Beratungsnachweis.

Heide Oestreich

Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 12